Contergan Skandal
Fairer Prozess?
Contergan: Ein Schlafmittel das bei tausenden Neugeborenen zu Fehlbildungen führte. Der Skandal jährt sich nun zum 50ten mal. Aber wie kam es dazu?
50 Jahre ist es her, dass das Verfahren gegen den Arzneimittelhersteller Grünenthal eröffnet wurde. Der brachte 1957 das Mittel 'Contergan' auf den Markt: „Dieses gefahrlose Medikament belastet den Leberstoffwechsel nicht, beeinflusst weder den Blutdruck noch den Kreislauf und wird auch von empfindlichen Patienten gut vertragen. Schlaf und Ruhe: Contergan, Contergan forte.“ Doch die Folgen, die Verbraucher von dem Schlafmittel trugen, waren weit mehr als „Schlaf und Ruhe“. Stattdessen kam es zu einem Arzneimittelskandal den die Bundesrepublik bis dato nicht gesehen hatte. Nach und nach offenbarte sich die vernichtende Problematik von Contergan: Das Medikament führte nicht nur zu Wadenkrämpfen und Sprachstörungen, sondern hatte vor allem für schwangere Konsumenten schwere Folgen. Wie sich später herausstellen sollte, führte das Mittel zu massiven Fehlbildungen bei Neugeborenen, wie nicht vollständig, oder gar nicht gewachsene Arme und Beine. Ergebnis der Tragödie war ein Jahrelanger Prozess gegen die Grünenthal GmbH der 1970 schlussendlich in einem monetären Vergleich zwischen Contergangeschädigten und der Arzneimittelfirma gipfelte.
Das Geld der Einigung floss in einen Fond aus dem heute die Conterganstiftung hervorgeht. Diese unterstützt die Geschädigten durch monatlichen Zuschüsse die zwischen 255 und 612 Euro variieren.
Was ist mit den Opfern?
Circa 10.000 Contergankinder wurden weltweit geboren. Die hohe Mortalitätsrate der betroffenen Babies führte dazu, dass nur rund die Hälfte überhaupt das frühzeitige Rentenalter erreichen konnte. Das Geld spendet daher den Betroffenen nur geringen Trost.
Vor allen Dingen, da es von Seiten Grünenthal nie ein Schuldeingeständnis, geschweige denn eine Entschuldigung gab. Ein wichtiger Schritt, der im Verlauf des Prozesses unterging. Auch, dass Grünenthal das Verfahren fast bis zur Verjährung in die Länge zog, verschlechterte die Position der Kläger. So erklärt Contergan-Betroffene Claudia-Schmidt-Herterich: "Der Druck, der wurde sehr hoch von der Firma Grünenthal, so war dann auch wohl die Formulierung: Entweder Rente oder gar nichts an Geld, dann müssen sie sich die Eltern vorstellen, in den Nöten, in den sozialen Umständen, in den finanziellen Problemen, da jetzt noch die optimale Lösung zu finden, also ich würde mich heute auch überfordert fühlen."
Wäre so ein Prozessausgang auch heute noch möglich?
Die Konsequenzen des Skandals für den Konzern Grünenthal erweisen sich als erschreckend marginal. Der Betrag von 100 Millionen D-Mark der an die Stiftung gezahlt wurde, ähnelt eher einem Trostpflaster als einer tatsächlichen Entschädigung. Obwohl der Skandal zu strikteren Regulierungen im Arzneimittelrecht führte, ist kaum vorstellbar, dass Verantwortliche Parteien heutzutage mit genauso wenig Konsequenzen rechnen müssten. Schließlich ist der Einfluss von Verbrauchern und Anklägern durch Social Media Plattformen wie Twitter und Facebook größer denn je, gerade in Zeiten von Kampagnen wie #metoo. Dieses Druckmittel ist ein wichtiges Werkzeug, denn Skandale um fehlerhafte Arzneimittel und Machtmissbräuche der Pharmaindustrien gehören lange noch nicht der Vergangenheit an.