Die Frauensicht auf die Spielkonsole
Gender in Games
Opfer, Trophäe oder Sexobjekt: Frauen nehmen in Videospielen oft klischeehafte Rollen ein. Warum eigentlich?
Das Dekolleté tragen sie halboffen, die Hosen sind kurz, die Absätze hoch. Frauenfiguren sind in Videospielen oft leicht bekleidet – und ziemlich unterwürfig. Mal sind sie Opfer, mal Sexobjekt. Da bleibt kaum Platz für ausgewogene, komplexe Darstellungen. Nina Kiel seziert diese Stereotype in ihrem Buch „Gender in Games“. Die Illustratorin aus Düsseldorf entwickelt in ihrer Freizeit auch Videospiele – mit ausgeglichenem Geschlechterverhältnis.
Welche Rollen nehmen Frauen denn in Videospielen ein?
Klassischerweise werden Frauen in passiven Rollen dargestellt. Sie können Opfer sein, Trophäen oder auch mögliche Romantikoptionen. Sie selbst handeln aber seltener als Männer. Sie sind seltener Hauptfiguren oder in der Rolle, Konflikte zu bestreiten und zu lösen. Eine Ausnahme sind die „Beat 'em ups“. Bei diesen Prügelspiele treten Frauen als gleichberechtigte Kontrahenten auf. Allerdings zeigt sich auch da eine stark sexualisierte Darstellung von Weiblichkeit.
Aber Darstellungen dürfen doch erotisch sein.
Ja, ich habe auch gegen Erotik und Sexualität gar nichts einzuwenden. Das Problem ist nur, dass Weiblichkeit mit Erotik gleichgesetzt wird. Dass es weniger andere Entwürfe gibt, mit denen man konfrontiert wird oder in denen man sich wiederfinden kann.
Gibt es einen Wandel in den Stereotypen?
Es zeichnet sich auf jeden Fall ein Wandel zum Positiven ab, was die Rolle der Frau im Computerspiel betrifft. Es gibt mehr Frauen in handelnden Positionen, mehr Nebenrollen, die nicht nur eine unterstützende Funktion erfüllen. Sie sind vollwertige Personen. Es zeichnet sich aber gleichzeitig ein neues Stereotyp ab, das der tragischen Heldin. Diese Wandlung hat auch Lara Croft durchgemacht. Die anfangs unverletzliche Actionheldin ist jetzt eine Figur, die viel Tragisches erlebt hat. Das ist ein neues Stereotyp: Die Frau, die erst gebrochen werden muss, um über sich hinauszuwachsen.
Fast die Hälfte der Konsumenten vor den Spielkonsolen sind Frauen. Warum verändern sich die Darstellungen denn nicht?
Viele Entwickler sind bereits seit Jahren und Jahrzehnten im Geschäft. Es fällt ihnen schwer, umzudisponieren. Außerdem gibt es immer noch die Annahme, dass heterosexuelle männliche Konsumenten die Szene dominieren – obwohl das Statistiken widerlegen. Aber es gibt auch fortschrittliche Darstellungen im Indie-Bereich. Ein interessantes Beispiel war der Titel No Male Heroes, der die Geschlechterverhältnisse umdreht. Das heißt, der Mann in der Hauptrolle ist Teil einer Minderheit, die für den Haushalt zuständig ist, deren Stimme nicht gehört wird.
Stereotype gibt es doch für Männer genauso – der Muskelprotz, der Tapfere, der Brutale?
Ja, allerdings halte ich es für problematisch, die Stereotype von Männern und Frauen gegeneinander aufzuwiegen, denn es sind andere. Männer werden extrem überzeichnet und als Akteure dargestellt. Frauen werden dagegen in passive Rollen gedrängt. Sie müssen schön sein, hilflos. Männer werden eher darin bestärkt, zu handeln und stark zu sein, Frauen dagegen erfahren das Gegenteil.
Im Netz sorgte „Gamer Gate“ vor wenigen Wochen für Aufsehen: eine Hetzkampagne gegen Frauen, die sexistische Darstellungen in Videospielen kritisierten. Ihnen wurde sogar mit Vergewaltigung und Mord gedroht.
Insgesamt habe ich festgestellt, dass eine Angst um die Gameridentität besteht. Viele Leute fürchten, sie könnten sich nicht mehr mit ihrem Hobby identifizieren, sie würden mit einer Art Zensur konfrontiert. Diese unglaubliche Angst richtet sich gegen fortschrittliche Stimmen. Und führt zu völlig unverhältnismäßiger Aggression.
Was würden Sie denn Männern sagen, die fürchten, dass vielfältigere Darstellungen Computerspiele langweiliger, braver, unattraktiver machen?
Ich würde ihnen beruhigend entgegenhalten: Es geht ja nicht darum, bisherige Darstellungen komplett aus dem Medium zu verbannen. Erotische, sexualisierte Darstellungen können ja ruhig weiter gezeigt werden - wenn es Alternativen gibt.