Magnetic Ear im Interview
Rage Against Abschiebung!
Beim Solidaritätskonzert im Feierwerk wird Geld für Flüchtlinge gesammelt. Manche Bands kommen dafür extra aus New Orleans angereist.
Exilmünchner Martin Krusche und seine Bandkollegen sind zur Zeit gemeinsam mit den Jungs von Kofelgschroa auf Tour. An diesem Freitag Abend verzichten sie aber wie alle anderen Bands zugunsten des Bayerischen Flüchtlingsrats auf eine Gage. Warum, das erfahrt ihr im Interview:
Martin, du bist gebürtiger Münchner und lebst seit 1995 in New Orleans. Wie fühlt es sich an, nach so langer Zeit mal wieder in "Minga" zu sein?
Es ist schön! Wir hatten bisher eine super Zeit. Wir wohnen draußen in Oberammergau bei unseren Freunden von Kofelgschroa und proben da auch. Wir sind seit Sonntag da, hatten nun also schon drei Tage Zeit, uns zu akklimatisieren und über den Jet Lag hinweg zu kommen. Und viel Bier zu trinken! Gestern haben wir im Herzkasperl Zelt auf der Oiden Wiesn gespielt, das hat einen Riesenspaß gemacht.
Ihr kombiniert New Orleans Second Line Jazz und Funk mit osteuropäischen und afrikanischen Einflüssen. Wie hat sich dieser Stil entwickelt?
Wir wollen einfach das spielen, was uns interessiert, und unterscheiden nicht so streng zwischen verschiedenen Genres oder Stilen. Wenn wir etwas hören, dass uns gefällt, versuchen wir einfach, diese Klänge mit einzubringen und unseren eigenen Dreh dafür zu finden. Und dann funktioniert es auf eine ganz natürliche Weise.
Heute Abend tretet ihr beim "Rage Against Abschiebung" - wie alle anderen Bands - ohne Gage auf. Wir haben gerade schon darüber gesprochen, dass ihr sehr viele verschiedene Einflüsse kombiniert. Ist diese Offenheit anderen Kulturen gegenüber auch ein Grund, warum ihr heute Abend dabei seid?
Ja, total! Das ist sehr wichtig für uns. Musiker sind in Bezug auf kulturellen Austausch und Kommunikation schon immer Vorreiter gewesen - man denke nur mal an Louis Armstrong, der so was wie ein Kulturbotschafter von Amerika war. Wir fühlen uns einfach vom Unbekannten angezogen. Ich selbst war zum Beispiel gerade für einige Tage in Kuba und habe dort vieles über kubanische Musik erfahren. Paul, unser Drummer saugt alles, was ich erzählt habe, auf und so wird es direkt in unserer Musik verarbeitet. Musiker sind viel auf Reisen und entwickeln deshalb ganz selbstverständlich eine große Offenheit fremden Kulturen gegenüber. Deshalb stehen wir total hinter der Veranstaltung "Rage Against Abschiebung". Ich war noch nicht lange genug in Deutschland, um die Situation der letzten Wochen und Monate genau zu erfassen. Aber von weit weg konnte ich sehen - und ich freue mich darüber -, dass Deutschland im Moment eine Vorbildfunktion einnimmt und da bin ich schon stolz drauf. Natürlich fühlen auch wir mit den Menschen, die von Syrien und sonst wo um ihr Leben rennen. Wir glauben diese Menschen würden sich nicht solchen Strapazen aussetzen, wenn sie nicht um ihr Leben fürchten würden.
Wie sehen das die Amerikaner hier im Raum?
In den USA ist Einwanderung schon immer ein großes Thema. Wir haben es mit Massen an legalen und illegalen Einwanderern aus Lateinamerika zu tun. Und ich glaube, dass die Menschen in den USA starke Parallelen zur aktuellen Flüchtlingskrise in Europa sehen können. Jemand, der informiert ist - das ist leider nicht jeder - aber viele Amerikaner interessieren sich sehr wohl für die Lage in Europa und glauben, dass man sich bei Europa etwas abschauen kann, wie hier mit der Situation umgegangen wird.
Es betrifft uns auch einfach weil Amerika eine Einwanderernation ist. Fast jeder hier aus der Band ist zwar in den USA geboren, ist kein "Native American" im Sinne der familiären Abstammung. Auch unsere Musik ist ein Ergebnis aus unserer unterschiedlichen Herkunft. Alles ist miteinander verbunden und die Situation ist mehr als kompliziert.