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Filmfest 2015

Den Menschen So Fern

Quelle: © FILMFEST MÜNCHEN

Daru & Mohammed geraten zwischen die Fronten.

Juhu, das 33. Münchner Filmfest geht los! Wir haben uns vorab den Eröffnungsfilm angeschaut – und fanden ihn ziemlich super.

Frage: Was ist die Gemeinsamkeit zwischen dem Leben komplexer Organismen und einem Filmfest? Genau: Sie beginnen beide mit einem Höhepunkt. Als Eröffnungsfilm ausgewählt zu werden, gilt als Ritterschlag der Festival-Jury. Aber „Loin des Hommes“ – auf Deutsch: „Den Menschen so fern“ – , das beim Filmfest in Venedig noch als Geheimtipp galt,  hat die Aufmerksamkeit, die sich daran knüpft, verdient. Regisseur David Oelhoffen erschafft auf dem algerischen Hochplateau einen filmischen Raum, dessen Weite durchgängig an das Western-Kino erinnert. Aber er nutzt die Menschenfeindlichkeit des Szenarios, um ein Plädoyer für die Würde des Menschen und seiner Entscheidungen zu inszenieren.

Der Gefangene scheut die Freiheit

1954, das Jahr des Beginns des algerischen Unabhängigkeitskrieges. Daru, ein französischer Weltkriegs-Veteran, geboren in Algerien, arbeitet dort zurückgezogen als Lehrer. Gespielt wird er von Viggo Mortensen, der im „Herr der Ringe“ den Aragorn gab. Ein Bekannter taucht auf, einen Gefangenen im Schlepptau: Mohammed, der seinen Cousin ermordet haben soll. Daru erhält den Auftrag, ihn den Behörden in einer nahegelegenen Stadt zu übergeben, wo vermutlich die Hinrichtung auf ihn wartet. Er weigert sich zunächst, aber er hat keine Wahl, der Gefangene ist nun sein Problem. Nach langem Zögern entschließt Daru sich, Mohammed, der trotz unverschlossener Tür partout nicht fliehen will, zu eskortieren, auch wenn dessen Motive zunächst schleierhaft bleiben.

Schüsse, die keiner hört

Dabei geraten die beiden zwischen die Fronten des beginnenden Krieges. Gegen die erdrückende Weite der staubigen Gebirgspanoramen, in denen sich der Mensch stets zu verlieren droht, tritt dessen ganze Absurdität hervor. Es fließt Blut um Landschaften, die in erster Linie aus Steinen und viel Wind bestehen. Die Parallelen zu den Nahost-Konflikten unserer Zeit sind überdeutlich, aber die Themen sind universell: In der biblischen Kulisse gibt es keine Umwelt, in die man fliehen könnte. Der Mensch ist selbst die Situation.

Der Krieg als Landschaftsaufnahme

Im Grunde kreist „Loin des Hommes“ um die Frage, ob es Anstand auch im Krieg geben kann, fernab der Menschen. Die Stärke des Films besteht darin, dass er Integrität erfahrbar macht, indem er sie als etwas zeigt, das sich an Entscheidungen erst konkret bildet. Dadurch kommt der Zuschauer den beiden Männern sehr nah – vor allem dem herausragenden Viggo Mortensen –, denn am Ende des Films sind sie Charaktere, am Anfang waren sie es noch nicht. Dafür brauchen Daru und Mohammed nicht viele Worte. Wenn sie aber doch sprechen, wirken die Dialoge glaubwürdig und erstaunlich leichtfüßig. Die meiste Zeit aber hören wir nur den Wind, das Geröll, hin und wieder Klangfetzen, komponiert von Nick Cave.

Gast im eigenen Haus

Das Grundthema – der Mensch inmitten des Nichts und des Chaos, gezwungen sich zu entscheiden – trifft den Geist der literarischen Vorlage: Albert Camus' Kurzgeschichte „L’Hôte“, was übersetzt sowohl ‚Gast‘ als auch ‚Hausherr‘ bedeuten kann. Der Handlungsstrang, der sich aus dem Algerienkonflikt ergibt, ist ein Zusatz von David Oelhoffen – ebenso wie die Tatsache, dass die Geschichte wirklich im Dialog zwischen Daru und Mohammed erzählt wird, anstatt nur aus der von Daru, wie bei Camus. So vermeidet er es, sich in den Universalismus zu bequemen, den die kulturunabhängige existentialistische Perspektive nahelegt.

Ein algerischer Western

Auch aus dramaturgischen Gründen macht es Sinn, die universellen Konflikte auf realpolitischem Boden auszutragen. Die Wirklichkeit des Krieges bewahrt „Loin des Hommes“ vor dem gemütvollen Dahindämmern eines Kunstfilms. Tatsächlich bleibt der Eindruck, es handelt sich hierbei um einen algerischen Western, bis zum Ende bestehen. Einen „europäischen Western“ hat Oelhoffen seinen Film genannt. Er hat vermutlich Recht. Es wird viel geschossen und gestorben in „Loin des Hommes“. Aber am Ende fällt eine Entscheidung.

„Loin des hommes“ eröffnet das 33. Münchner Filmfest am 25. Juni im Rahmen einer feierlichen Gala im Mathäser. Die erste öffentliche Vorführung findet am Freitag, 26. Juni 2015, im Amerikahaus am Karolinenplatz statt und beginnt um 20 Uhr. Regisseur David Oelhoffen beantwortet nach der Vorführung Fragen des Publikums. Weitere Termine sowie das komplette diesjährige Programm sind auf der Homepage des Filmfests einzusehen.

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