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Fotoausstellung "Mein Blick" - Oder wie man auch durch eine Kamera mit den Augen zwinkern kann

Autor(en): Hannah Schopf am Freitag, 10. Dezember 2010
Sie ist 71 Jahre alt, hat feuerrotes Haar und ein Faible für ungewöhnliche und gleichzeitig total normale Erscheinungen.
Viele nennen sie eine Spurensucherin in den Kulturen, die tiefer in die Volksseele blicken kann als jede FORSA-Umfrage.
Nun widmet das Stadtmuseum der renommierten Fotografin Herlinde Koelbl eine Werkschau.
Am Freitag, den 10. Dezember 2010 eröffnete die Werkschau „Mein Blick“ im Stadtmuseum. Dort werden nun für 4 Monate Werke der deutschen Fotografin Herlinde Koelbl gezeigt, die zwischen 1976 und 2010 entstanden sind.

Die Ausstellung ist nach Themenblöcken geordnet. Da gibt es zum Beispiel das Kapitel „Behausung“, das drei Zyklen umfasst. Einer davon wurde in Deutschland besonders beachtet, da er den Titel „Deutsche Wohnzimmer“ trägt.
Dieser Zyklus zeigt deutsche Bürger in der ihnen am vertrautesten Umgebung: Dem eigenen Wohnzimmer! Das Spannende dabei ist, dass Herlinde Koelbl sich nicht auf eine bestimmte Art von Personen oder Gesellschaftsschichten beschränkt, sondern man tatsächlich den Eindruck bekommt, einen „Querschnitt“ der deutschen Bevölkerung zu Hause erleben zu können.

Herlinde Koelbl als kulturelle Spurensucherin

Vielleicht hat sie sich unter anderem durch ihren umfassenden Blick den Ruf erworben, eine Art Spurensucherin in der Volksseele zu sein. Denn Herlinde Koelbl lichtet die Menschen so ab, wie sie sind, ohne sich in komplizierten Inszenierungen zu verkünsteln.

„Herlinde Koelbl versteht sich ja nicht nur als Künstlerin sondern eben auch als Spurensichererin innerhalb einer Kultur, indem sie zum Beispiel dem Wohninterieur nachspürt: Wie die Menschen leben, wo sie schlafen, was dieser Ort eben des Schlafzimmers auch für sie bedeutet. Als Rückfluchtsort, als Refugium, in dem man sich vielleicht auch freier von Zwängen verhalten kann und auch freier von Pose.“

In diesem Zitat spricht Dr. Ulrich Pohlmann, Kurator von „Mein Blick“ im Stadtmuseum, von dem zweiten Zyklus aus dem Kapitel „Behausung“. Hier ist Herlinde Koelbl um die Welt gereist, um Menschen in ihrem Schlafzimmer zu fotografieren. Auch diese Fotostrecke gibt einem die unterschiedlichsten Eindrücke- von der ukrainischen Hausfrau in Moskau über Christoph Schlingensief auf einer Matratze in Berlin bis hin zu einem reichen Londoner Ehepaar in einem stattlichen Schlafzimmer.

Was die Ausstellung von Herlinde Koelbl vielleicht besonders auszeichnet, ist, dass die Künstlerin ihre Modelle nicht nur fotografiert, sondern auch intensive Gespräche mit ihnen führt. Kleine Ausschnitte aus diesen Lippenbekenntnissen kann man in der Ausstellung zu den Bildern lesen.
So wird jede Fotostrecke wie zu einer persönlichen Geschichte, von vielen Bildern erzählt, die überall auf der Welt geschossen wurden.

Highlights der Ausstellung

Apropos Erzählen. Die Werkschau beherbergt auch eine Videoinstallation Koelbls, in der auf zwei großen, nebeneinander hängenden Leinwänden permanent Münder erscheinen. Diese antworten der Künstlerin auf Fragen, die man nicht hören kann.
Ein grell geschminkter Mund findet, dass Geld für Klamotten ausgegeben werden sollte, während gleichzeitig daneben ein Mund mit Migrationshintergrund und schiefen Zähnen vom Ficken spricht und lacht.
Nach ca. 5 Minuten vor dieser Installation fühlt man sich vom absoluten Informations-Overflow besiegt und glaubt, sämtliche spontane Gedanken der deutschen Bevölkerung gehört zu haben!

Wie gut, dass die Ausstellung im nächsten Raum Gelegenheit gibt, zur Ruhe zu kommen und nachzudenken. „Jüdische Porträts“ (1989) heißt die Serie, in der Herlinde Koelbl jüdische Emigranten, die vor dem Naziregime flüchten mussten, porträtierte. Die Künstlerin selbst haben dabei die Spuren des Leidens aber auch der Gelassenheit in den alten, gezeichneten Gesichtern fasziniert.

Als letztes Highlight sei hier noch der Zyklus „Spuren der Macht“ genannt, der Herlinde Koelbl weltberühmt machte: Über acht Jahre hinweg begleitete sie Politiker und einflussreiche Personen des kulturellen Lebens, fotografierte sie, unterhielt sich mit ihnen.
Vor der Angela Merkel-Wand glaubt man, wirklich sehen zu können, wie sich von Kohls kleinem Mädchen zum International Player entwickelt, aber auch, wie sich ihr natürlich Lachen mit der Zeit hinter einer immer gleichen Kanzlerinnen-Maske versteckt...

Zufällige Begegnung mit dem Fotografieren

Besonders beeindruckend ist die Werkschau auch vor dem Hintergrund, dass die Autodidaktin Herlinde Koelbl erst mit 37 Jahren per Zufall – nämlich beim Fotografieren ihrer vier Kinder – die Liebe zur Kamera entdeckte.
Jetzt beweist Herlinde Koelbl einerseits, dass es offenbar nie zu spät ist für eine neue Liebe und das man auch durch eine Kamera mit den Augen zwinkern kann-mal liebevoll, mal keck und mal ironisch.

Eine Auswahl ihrer Werke aus drei Jahrzehnten kann man nun in „Mein Blick“ bewundern.

Herlinde Koelbl – Mein Blick: eine Werkschau 1976 bis 2010, bis 10. April 2011.
Geöffnet Di bis So: 10-18 Uhr, Eintritt 6 €, ermäßigt 3 €, Familienkarte 9€.


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