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M94.5 Filmkritik

Per Ballon in die Freiheit

Autor(en): Janina Rohleder am Mittwoch, 26. September 2018
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Quelle: Studiocanal GmbH / Marco Nagel

Der Fluchtballon hat eine beeindruckende Größe.

Michael Bully Herbig wagt sich aus der Komödienecke heraus und dreht einen Thriller: Packend erzählt "Ballon" von einer spektakulären Flucht.

Es ist Nacht, als die Familie Strelzyk 1979 in aller Eile mit ihrem blauen Wartburg samt Anhänger aufbricht, um eine Waldlichtung bei Pößneck in Thüringen aufzusuchen. In den Gesichtern der beiden Erwachsenen mit ihren zwei Kindern ist Anspannung zu lesen. Auf keinen Fall darf sie jemand von der Grenzpolizei aufhalten, denn sie haben etwas Heikles im Gepäck: einen Heißluftballon, den sie mit der befreundeten Familie Wetzel in zweijähriger Arbeit genäht haben, um mit ihm aus der DDR über die innerdeutsche Grenze in den Westen zu fliehen. Da die Freunde kurz vorher einen Rückzieher machen, begeben sich die Strelzyks zunächst alleine auf das waghalsige Abenteuer. Der Start gelingt, doch nach einer halben Stunde Flugzeit frieren die Gasleitungen ein und der Ballon stürzt ein paar Meter vor der westdeutschen Grenze ab.

Von Anfang an spannungsgeladen

Mit dieser Szene beginnt Bully Herbig seinen Thriller und gibt den Ton für die nächsten 120 Minuten an: Spannung pur. Denn die Stasi findet die Überreste des abgestürzten Ballons, sowie Tabletten von Mutter Doris Strelzyk, und sind den beiden Familien von nun an dicht auf den Fersen. Angeführt von Oberstleutnant Seidel – facettenreich und überzeugend gespielt von Thomas Kretschmann – setzt die Geheimpolizei alles daran, die „Verräter“ zu finden und sie an einem weiteren Fluchtversuch zu hindern. Doch die Familien denken gar nicht daran, klein beizugeben. Während auf der einen Seite unter Hochdruck ermittelt wird, setzen die Familien Strelzyk und Wetzel alles daran, im Verborgenen einen neuen Ballon zu bauen. Diesmal einen, der alle vier Erwachsenen mit vier Kindern trägt. Bully Herbig inszeniert diesen Wettlauf der beiden Opponenten fesselnd und mit einem guten Gespür für Spannung aufbauende und haltende Elemente.

Überzeugende Musik und Schauspielerleistung

Das gelingt vor allem auch durch die großartige Filmmusik von Ralf Wengenmayr. Sie gibt Szenen die richtige Spur Bedrohlichkeit, unterstreicht Emotionen, wirkt erklärend und erzählend, wo es keine Worte gibt. Sie bringt dem Zuschauer die Situation näher, in der die beiden Familien stecken, so etwa ihre Ängste  und Sorgen, erwischt zu werden oder ihre Kinder in Gefahr zu bringen. Überzeugend ist in dieser Nacherzählung auch die Besetzung mit Friedrich Mücke und Karoline Schuch als Ehepaar Strelzyk, ihren Söhnen, die von Jungschauspielern Jonas Holdenrieder und Tilman Döbler verkörpert werden, sowie David Kross und Alicia von Rittberg als Ehepaar Wetzel. Sie zeigen Menschen, die ein großes Risiko eingehen, um aus einem politischen System auszubrechen, in dem sie nicht leben wollen. Sich immer wieder vor Augen haltend, dass diese ganze Geschichte tatsächlich passiert ist, macht den Film nochmal interessanter und packender.

Authentische und beeindruckende Bilder

Bully Herbig lässt in „Ballon“ nicht nur die DDR wieder aufleben, indem er Frisuren, Klamotten und Autos, sowie Inneneinrichtungen an historische Gegebenheiten anlehnt. Er bringt dem Zuschauer auch das Gefühl für den Heißluftballon nahe, der aus 1245 Quadratmeter Stoff bestand und 32 Meter hoch war; ein Monstrum, das zu der Zeit als größter Ballon Europas ins Guinness Buch der Rekorde einging und der in einem kleinen Keller aus unzähligen Stoffbahnen zusammengenäht wurde. Für den Film wurde der Ballon in Originalgröße nachgebaut. Herausgekommen sind beeindruckende Aufnahmen eines riesigen, bunt in der Nacht leuchtenden Fluchtgefährts, das acht Menschen schließlich zur Freiheit verhalf.

Insgesamt überzeugend

Mit einer spannend aufgebauten Geschichte, einer passenden Filmmusik und überzeugenden Darstellern hat Michael Bully Herbig gezeigt, dass er nicht nur der Spaßvogel sein kann. Zwar hätten ein paar handlungsverzögernde, dramatische Momente wie das Feuerfangen des Ballons kurz vor dem zweiten Abheben nicht sein müssen, insgesamt ist „Ballon“ aber ein wirklich sehenswerter Film über eine unglaubliche, wahre Geschichte.

"Ballon" läuft ab 27. September 2018 in den deutschen Kinos.

Bildergalerie
Familie Strelzyk tüftelt fieberhaft an ihrem Fluchtplan.
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