Platten vor die Säue
Courtney Barnett - Tell Me How You Really Feel
Passiv-aggressiv, witzig und einfach cool: die australische Indierock-Queen haut mit ihrem neuen Werk noch mehr drauf, als sie es zuvor schon getan hat.
Gefühle sind für alle da
„No one is born to hate. We learn it somewhere along the way.“ Courtney Barnett gibt eine der wichtigsten Messages ihres Albums gleich zu Beginn mit dem Song „Hopelessness“ preis. Mit solch einem melancholischen Einstieg hätte wohl niemand gerechnet. Hass gehört zwar zu den stärksten Gefühlen des Menschen. Dass dieser bei der Australierin keinen Platz hat, wird aber spätestens klar, wenn das aufwühlende Gitarrenriff auf „City Looks Pretty“ einsetzt. Ein klassischer tanzbarer Indierock-Song, untermalt durch Barnetts markante, aber sehr entspannte Stimme. Auf „Charity“ ist der typisch träge, australische Sound erwacht, den wir noch sehr gut von ihrer ersten Platte Sometimes I Sit and Think, and Sometimes I Just Sit von 2015 kennen. „You don‘t have to pretend you‘re not scared. Everyone else is just as terrified as you.“ Klingt zusammen mit dem Sound nach mutmachender Selbsthilfegruppe. Genau damit trifft Courtney Barnett vermutlich den Kern der Zeit. Wir kennen alle etwas, das uns Angst macht: das Erwachsen werden, Beziehungen, die Zukunft, das Leben im Allgemeinen. Aber hier wird eben schnell klar: niemand ist allein mit seiner Angst. Und geteilte Angst ist halbe Angst, oder wie war das nochmal?
Geschickt kombiniert
Dass Barnetts Einflüsse von Nirvana und Patti Smith stammen, ist auch auf diesem Album nicht zu überhören. Dabei kombiniert die Inhalberin des Musiklabels Milk! gekonnt Grunge und Folk mit ihrer frechen Art. Und genau das hört man auf der zweiten Hälfte von Tell Me How You Really Feel. „I wanna walk through the park in the dark, men are scared that women will laugh at them. I wanna walk through the park in the dark, women are scared that men will kill them.“- Wieder trifft sie damit ins Schwarze. Beides Gedanken von Frauen und Männern, natürlich nicht von jedem oder jeder einzelnen. Doch Courtneys gewitzte Art nimmt auch hier ein klein wenig der Ängste und Bedenken weg.
Du bist nicht allein
Der Endspurt auf der Platten ist vor allem geprägt von melodischer Melancholie. Nach den aufwühlenden Parts ist hier Zeit, sich zurückzulehnen, nicht ohne weniger bittersüße Alltagssorgen von Courtney ins Ohr gesäuselt zu bekommen. „I don‘t wanna hurt your feelings so I say nothing.“ Nicht nur selbstreflektierende Gedanken spielen eine Rolle, sondern auch die Gefühle der Mitmenschen, wie auf „Walking On Eggshells“ deutlich zu hören ist. Den krönenden Abschluss macht „Sunday Roast“. Wie ein entspanntes Sonntagsfrühstück mit einem guten Freund oder einer guten Freundin. „You are not alone. I know all your stories but I listen to them again.“ Courtney Barnett schließt den Bogen vom ersten bis zum letzten Song und macht deutlich: auch wenn wir mal allein sind, sind sie und ihre Musik immer für uns da.