Axel Krygier / Pesebre [Crammed Discs]
Platte des Monats Oktober 2010
Pesebre wurde beinahe auschließlich von Axel Krygier selbst in Buenos Aires aufgenommen und produziert. Krygier, der schon Film- und Bühnenmusik komponiert hat, nimmt den Hörer mit auf einen Stadtspaziergang durch den Melting Pot. Vorbei an Jahrmärkten, Straßenmusikern, Tanzlokalen, wummernden Clubs und...Schafställen.
Er hat mehrere Instrumente studiert und bereits in Rock`n`Roll Bands gespielt, Krygier hat außerdem ein Faible für elektronische Musik. Immer wieder blitzt eine verzerrte Stimme oder ein synthetischer Ton zwischen den ansonsten oft folkloreartigen Liedern auf. Wer die Platte eingelegt hat, um sie nebenbei dudeln zu lassen, wird hier gestört. Aufgepasst! Wir sind hier immernoch in einer Großstadt - nicht an einem verlassenen Palmenstrand.
Pesebre will gehört werden. Es ist ein enorm authentisches Album das gleichzeitig die Wurzeln und die Zukunft eines internationalen Trends aufzeigt. Elektronische Musik, die sich mit großem Erfolg bei ihren analogen Vorfahren und Zeitgenossen bedient. Nationale und Geographische Grenzen setzen der Fluktuation musikalischer Stile keine Grenzen mehr. Der amerikanische DJ und Produzent Diplo zum Beispiel, revolutionierte in diesem Jahr den Clubsound mit Zitaten jamaikanischer und afrikanischer Soundsystems.
Krygier selbst ist in Argentinien mit der Szene des digital Cumbia verbunden. Traditionelle Rythmen und Melodien werden digital nachgespielt, modern aufgepeppt und durch Beigabe von Dubstep, Techno und Reggeaton werden mit dem ursprünglichen Paartanz mittlerweile Dikotheken beschallt. Moderne Musik, die gleichzeitig weltgewandt und lokal verankert ist.
So überwiegen auch bei manchen Liedern auf Pesebre die digitalen Anteile, wie bei dem Titeltrack oder Tucumana. Stücke mit stampfenden Beats, Synthies und Blasinstrumenten. Hier war der Beatfrickler Krygier am Werk. Die entstandenen Stücke, inklusive verzerrter Tierstimmen, sind nicht leicht zugänglich und polarisieren die Hörer.
Dann wiederum bringt er mit Esclavo de olor den Latino-Rock´n´Roll zurück auf die Karte und erzeugt bei Ansias mit einem außergewöhnlichen Klavier und Klarinetten-Solo und sentimentalem Gesang eine fast schon wehmütige Stimmung. Es ist ein ständiges Auf und Ab der Gefühle zwischen den Tracks auf Pesebre, die erste internationale Veröffentlichung Krygiers, die in Europa ein Jahr später herauskam, als in Argentinien. Das kann auch darauf zurückzuführen sein, dass europäische Ohren erst im Buchmesse-Jahr für diesen Sound bereit sind.
Für die Ohren aufgeschlossener Hörer, denen kurze Dissonanzen und melodische wie rhythmische Umwege nicht zu viel sind, ist es eine Einladung in Krygiers Welt. Eine Welt, die uns bekannt sein dürfte.