M94.5 Filmkritik
Ein Knallharter Spatz
Skrupellos, sexy und leider ein wenig seicht: Der Agententhriller "Red Sparrow" mit Jennifer Lawrence in der Hauptrolle.
Viele Schocker - Wenig Tiefe
Moskau: Eine Spezialagentin, die einen amerikanischen Agenten verführen soll, um an Informationen zu kommen, sich dann aber in ihn verliebt — "Red Sparrow" von Francis Lawrence ("Hunger Games") riecht ein bisschen nach alten Agententhriller-Klassikern wie James Bond’s "From Russia with Love". Nur dass eine Frau im Mittelpunkt steht. Leider will er dabei ein bisschen zu viel. So gerne wäre er ein moderner, packender Thriller mit überraschenden Schockmomenten, beeindruckender Ästhetik und unberechenbaren Charakteren. Das hat leider nicht geklappt.
Zugegeben, Schockmomente sind da, überall, permanent, immer wieder. Sie sind auch das Einzige, was den Film dann doch über die leider etwas zu langen zweieinhalb Stunden trägt. Die blutigen Schläge, Mord- und Folterszenen, auf die schonungslos draufgehalten wird, sind schon erschreckend, teilweise aber sehr abrupt skurril und leider so systematisch, dass man irgendwann nicht mehr überrascht und immer weniger schockiert ist.
Jennifer Lawrence als skrupellose "Sparrow"
Nach ein paar abgedrehteren Rollen ist Jennifer Lawrence hier wieder etwas mehr im Mainstream-Kino angelangt und liefert eine solide Performance, die stellenweise ein wenig nach Katniss Everdeen aus "Die Tribute von Panem" schreit. Nur dass ihre Rolle der Dominika eben eine der “Spatzen", also der “magischen Muschis” ist (irritierenderweise tatsächlich ein Filmzitat!!!): Das bedeutet mehr Gewalt und eindeutig mehr nackte Haut. Um ihre schwer kranke Mutter zu versorgen, nimmt die an einem Unfall gescheiterte Ballerina einen fragwürdigen Job ihres Onkels an und wird Zeugin eines Mords. Um nicht getötet zu werden, wird sie für eine Spezialeinheit rekrutiert, eine Art Schule, in der sie gedrillt und dazu ausgebildet wird, als “Sparrow” den Feind zu verführen und zu manipulieren.
Um diese Vorgeschichte zu erzählen, holt “Red Sparrow” sehr weit aus und schafft es doch kaum, Emotionalität oder Tiefe hineinzubringen. Relativ flach erzählt, ist er ein bisschen wie ein typischer Actionfilm, nur ohne viel Action (außer man zählt Foltern und Sex zur Action). So gewalttätig, wie der Film an manchen Stellen auch ist, fehlt dem Ganzen einfach ein wenig der Mut, die Überraschung und die Leidenschaft. Wirkliche Gefühle transportiert weder ihre Verbindung zur Mutter, noch die Beziehung zum amerikanischen Agenten Nate (Joel Edgerton). Auch Dominika’s Charakterwandel an sich ist, trotz “Spatzenschule”, einfach zu gering. Trotzdem, Lawrence macht ihre Sache gut, wenn es darum geht, eiskalt und skrupellos zu sein. Da würde man fast über den nicht immer ganz authentisch synchronisierten, russischen Akzent hinweg sehen.
Elegant Emotionslos
Zugute halten muss man dem Thriller auch, dass er das alles sehr elegant verpackt. Das Feeling stimmt und in einem großflächigen, cleanen Look spielt er mit symmetrischen Flächen und optischen Doppelungen, was auch thematisch schön zur Doppelmoral unserer Agentin passt.
Diese Doppelmoral wiederum ist es, die Potential für etwas mehr gehabt hätte. Etwas mehr Zwiespältigkeit und etwas mehr Glaubwürdigkeit. Ein wirkliches, mitreißendes Hin und Her oder eine durchgehende Unsicherheit — Steht Dominika jetzt auf Seiten der Russen oder der Amerikaner? — wird angedeutet, aber nicht glaubwürdig durchgezogen.
Ein unterhaltsamer Film für Fans von eher seichten Agententhrillern, der schön anzuschauen ist. Leider bleibt der Film schon früh irgendwo zwischen Sensationsgier, leeren Charakteren und eleganten Bildern hängen. Statt eines mächtigen Greifvogels ist "Red Sparrow" am Ende doch nur ein Spatz, wenn auch mit hübschen Federn.
„Red Sparrow“ ist ab dem 29. Februar 2018 in den deutschen Kinos zu sehen.