M94.5 Filmkritik
Ihre beste Stunde
Der 2. Weltkrieg aus britischer Sicht, historische Ereignisse, die Raum für Fantasie lassen, und das Drehbuch einer Heldin: Alles ab dieser Woche im Kino.
Im Krieg und in der Liebe...
London im Jahr 1940 - eine junge Frau namens Catrin Cole (dargestellt von Gemma Arterton) versucht, sich und ihren Mann über Wasser zu halten, während um sie herum der Krieg Häuser zum Einstürzen bringt. Ihr Mann ist Künstler und für ihn hat Catrin ihren Heimartort verlassen. Er dankt ihr das, indem er sie winzig klein in seine Bildecken malt und ihr nicht zuhört. So manche Nacht verbringen sie in den Londoner U-Bahn-Schächten, um sich vor fallenden Bomben zu schützen. Einmal steht Catrin lachend in den Trümmern, als sie erkennt, dass die Gliedmaßen um sie herum von Schaufensterpuppen stammen und nicht von Menschen. Der Film ist in braun-grau Nuancen gehalten und wirkt trotzdem nicht bedrückend. Catrin sucht nach einem kleinen Nebenverdienst und stellt sich beim Informationsministerium vor. Der Job ist aber nicht der einer Sekretärin, wie sie zunächst denkt - sie soll das Drehbuch für einen Film schreiben. Sie ist zuständig für die „weibliche“ Note. Ihre männlichen Co-Autoren nennen das herablassend „den Schmalz“.
Romantisch am Meer: Catrin und Tom. © Concorde
Ein Film entsteht
Der Film ist bedeutend für das Gelingen des Krieges, er soll voller Hoffnung sein und die Menschen daran erinnern, für was sie kämpfen. Ihr Team ist bunt zusammengewürfelt und die Dreharbeiten stellen sich als ziemlich kompliziert heraus. Der ältere Schauspieler Ambrose Hilliard (dargestellt von Bill Nighy) kommt mit seinen Star Allüren nicht ohne persönliche Betreuung aus, Kriegsheld Carl Lundbeck kann überhaupt nicht schauspielern, und nebenbei werden immer mehr Drehorte durch Bombardierungen zerstört oder Crewmitglieder an die Front geschickt. Das alles sind nicht die allerbesten Voraussetzungen, um einen Film zu machen, der die Nation begeistern soll. Dazu kommt auch noch der kluge, aber zynische Autor Tom Buckley, dargestellt von Sam Claflin. Der als Teenie-Schwarm bekannte Schauspieler erobert normalerweise mit Filmen wie „Die Tribute von Panem“ oder „Ein ganzes halbes Jahr“ Frauenherzen. Seine blonden Locken sind hier unter einer Schirmmütze verborgen, Hornbrille und Schnurrbart machen den Intellektuellen-Look perfekt. Er liefert sich mit Catrin Wortgefechte, und obwohl deutlich erkennbar ist, dass die Liebesgeschichte überraschend um die Ecke kommen soll, weiß der geübte Film-Fan, dass Catrins Künstler ein herzloser Schmarotzer und der intellektuelle Tom die wahre Liebe ihres Lebens ist.
Ganz viel Spaß am Set im Film. © Concorde
Wilde Mountain Thyme und Mondenschein
Die Handlung wirkt ein bisschen wie der Film, den die Protagonisten zu drehen versuchen: emotional und chaotisch, besetzt mit starken Frauenrollen, die im Aufruhr des Krieges Mut und Stärke beweisen. Das hört sich jetzt natürlich kitschig an, was der Film auf jeden Fall auch ist. Spätestens wenn die gesamte Filmbelegschaft zusammen „Wild Mountain Thyme“ singt. Oder wenn Catrin und Tom im Mondschein über ihre Gefühle füreinander sprechen. Geeignet ist "Ihre beste Stunde" für alle, die in eine andere Zeit eintauchen wollen und bereit sind, sich mit britischem Humor, Kitsch und kleinen Details einem geschichtlichen Kontext zu nähern.
Die sexuelle Spannung ist hier ja wohl offensichtlich. © Concorde
"Ihre beste Stunde" läuft ab dem 06. Juli 2017 in den deutschen Kinos.