"Off the record - die Mauer des Schweigens" - was wird mich wohl bei diesem Stück erwarten?

Ich stehe in der Reihe und warte auf den Einlass. Als es soweit ist, müssen wir Zuschauer erst einmal an zwei Schauspielern vorbei, die uns mit ernster Miene kontrollieren. Ab und an, stellt sich einer der beiden, den Zuschauern in den Weg. Er wird "durchsucht", anschließend geht es weiter. Auf dem Weg in den Zuschauerraum wird von jedem Durchsuchten ein Foto geschossen. Unheimlich!

Kein klassisches Theater

Der Zuschauerraum ist nicht klassisch ausgestattet, mit Bühne und Stühlen davor, sondern das Publikum sitzt auf einer Art Podest in der Mitte des Raumes. Außen herum sind vier Leinwände. Das Licht geht aus und das Stück beginnt.

Aber das Licht geht nicht wieder an, sondern es ertönen Stimmen. "Off the record" ist eine Art Hörspiel. Am Anfang kann ich die einzelnen Stimmen gar nicht zuordnen, aber um so länger die Figuren sprechen, umso besser kann ich mich in die Geschichte einhören. Es geht nicht direkt um die Taten des NSU, sondern um die öffentliche Darstellung der Skandale und die Sicherheitslücken im System. Dass das Trio aus Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe solange unentdeckt blieb, obwohl anscheinend Regierung und Verfassungsschutz wussten, was die drei taten und wo sie waren.

Hörspiel gemischt mit Projektionen und Pantomime

Die Hörspielepisoden werden immer wieder durch laute Musik und Geschrei aus den Lautsprechern und Bildern auf den Leinwänden - Schriften aus den Fallakten, von dem NSU-Trio und Stummfilmepisoden aus den 20er Jahren - unterbrochen. Die Schauspieler, weiß geschminkt, treten in das Licht der Leinwände und bewegen sich pantomimisch, ohne ein Wort zu sagen. Dabei wiederholen sie ständig ihre Bewegungen. Dadurch dass sie vor drei verschiedenen Leinwänden "spielen", hat man als Zuschauer das Gefühl, dass man sich ständig umdrehen muss, um auch ja alles mitzubekommen, obwohl diese Einstellungen eigentlich nichts sagend sind und die Hilflosigkeit des Einzelnen darstellen.
Zu laut, zu hell, unheimlich - sind diese Einstellung! Ruckartig wird der Zuschauer aus dem Hörspiel gerissen, aber genauso schnell ist der Spuk vorbei und das Hörspiel geht weiter.

Die Wahrheit tut weh

Aber auch das Hörspiel ist Furcht erregend. Zumindest der Inhalt, der so wahr ist, dass man es als Zuschauer fast nicht glauben mag. Doch die Regisseurin Christiane Mudra hat gut recherchiert und zeigt dem Zuschauer ein gnadenloses, aber ehrliches Bild von den Verstrickungen der V-Leute, des NSU und des Verfassungsschutzes.

"Off the record - die Mauer des Schweigens" ist ein eindrucksvolles Stück, das die Zusammenhänge von Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und Ermittlern mit dem NSU von einer ganz anderen Seite beleuchtet und den Zuschauer irritiert und verstört sitzen lässt. Was passiert jetzt? Wenn doch so viele von dem Versagen wissen, warum passiert dann nichts? Da muss man doch etwas dagegen tun? Mit diesem Gefühl "etwas dagegen tun zu müssen", gehe ich nach Hause.

Die nächsten Vorstellungen von "Off the record - die Mauer des Schweigens" sind am 10., 11., 12. und 13.11. im Theater Hoch X jeweils um 20:00 Uhr.