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Moderat im Interview mit M94.5

Hey Moderat, kennt ihr King Krule?

Autor(en): Franziska Niesar am Dienstag, 28. Januar 2014
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Quelle: (c) Monkeytown Records

Moderat

Wir haben die Supergroup aus Berlin getroffen, ihren Hipster-Faktor getestet und uns über Klassik unterhalten.

Euer Lieblingsradiosender M94.5 hat sich mit der elektronischen Supergroup aus Berlin getroffen. Wir haben uns mit Moderat, bestehend aus Gernot Bronsert und Sebastian Szary von Modeselektor und Sascha Ring aka Apparat, über gelangweilte Hipster, King Krule und Klassik unterhalten.

Das Interview führten Franziska Niesar und Timo Nicolas.

Im Video zu eurer aktuellen Single “Last Time” tauchen wir in die dröge und apathische Welt einiger Dorfkids ein. Sie treffen sich an einer Tankstelle, trinken, machen rum, aber irgendwie wirkt das alles explizit gelangweilt und trist. Das scheint ein gängiges Bild unserer Generation in der heutigen Popkultur zu sein...



Sascha Ring: Was ist denn eure Generation?



Nun ja, so die Anfang bis Mitte Zwanzigjährigen. Oder auch jünger.

Sascha (lacht): Na, weil wir Älteren einfach von eurer Generation grundsätzlich enttäuscht sind. 



Gernot Bronsert: Ist das so mit der Langeweile? Ist das so ein Hipster-Ding gerade?

Also, was King Krule für einen Habitus an den Tag legt...

Gernot: Wer ist denn King Cool?

King Krule.

Sebastian Szary: Ich kenn den.

Gernot: Ja schau, der Szary, der kennt den. Ja, dafür kennt ihr nicht die neue Punch Drunk (grinst). Nee, ich weiß nicht. Ich glaube die Pfadfinderei, die auch unser Artwork und unsere Visuals machen, hatten einfach die Idee von so einer Dorfjugend-Romantik: Mit getunten Autos an der Tanke abhängen, mit Mädels rummachen, Dosenstechen und so. Einfach ein bisschen diese schöne Tristesse zeigen.

Szary: Aber letztendlich ist das Thema auch gar nicht so verkehrt und auch gar nicht so hipster: Wir sind alle hier so Jahrgang Mitte Siebziger und hatten unsere Jugend und unseren persönlichen Durchbruch Anfang der Neunziger. Sascha hat im Harz bei Raves gefeiert und weißt du, was draußen vorm Rave auf dem Parkplatz los war?

Das Gleiche wie im Video?

Szary: Ja, genau das!  Das ist nach wie vor auch nichts anderes heute. Andere Drogen, die gleichen Jeanshosen, die gleichen New Balance-Schuhe, die gleichen Typen schön mit der Fluppe hier im rechten oder linken Mundwinkel. 

Da schwingt irgendwie viel Sentimentalität mit.



Sascha: Es ist von unserer Seite aus durchaus ein bisschen sentimental, weil unsere Jugend so war. Wir kommen alle aus kleinen Städten, ich wollt fast schon Dörfer sagen. Die beiden hier kommen irgendwo ausm braunen Gürtel um Berlin (alle lachen) und ich komme aus dem Harz in Sachsen-Anhalt und da haben wir halt...



Gernot: ...ausm schwarzen Harz kommst du.



Sascha: ... damals bei uns war das wirklich so, da gab es einfach nichts zu tun in so einer scheiß Kleinstadt und man hing halt irgendwie in Parks oder an so einer scheiß Tankstelle ab. 



Aber dann seid ihr im großen Berlin gelandet. Wie wichtig war und ist die Stadt für eure Entwicklung, euren Erfolg und eure Inspiration?



Szary: Die Hauptinspiration kommt daher, dass wir zur rechten Zeit am richtigen Ort waren. Anfang der Neunziger, das war einfach so eine megamäßige Inspiration. Andere Subkulturen und Generationen behaupten das auch von sich, als sie 1970 beim Punk waren oder Ende der Sechziger die 68er...

Gernot: ...wir sind halt die Anfang Neunziger. Wir sind mit Techno groß geworden.

Szary: Wir waren sehr glückliche Kinder!

Sascha: Seitdem hat sich Berlin auch mit uns verändert und funktioniert deswegen als Stadt noch immer für uns. Es nervt auch vieles an Berlin, aber das dauert jetzt zu lange das aufzuzählen. Grundsätzlich würde ich sagen, die Stadt entwickelt sich parallel zu uns, deshalb bleibt es immer relativ interessant und wir haben ja das große Glück, oft weg zu sein und anderes zu erleben.



Ihr seid Kinder des 90er Jahre Technos, aber gerade euer erstes Album hat durchaus etwas symphonisches! Gibt es bei eurer Musik Überschneidungspunkte zu klassischer Musik?



Gernot: Ich hab neulich mal darüber nachgedacht, wie ich eigentlich zu klassischer Musik stehe. Ich habe ehrlich feststellen müssen, dass mein ganzes Musiknerdtum nur dadurch entstanden ist, dass meine Mutter ausschließlich klassische Musik gehört hat und alles kannte. Der spielst du irgendeinen Furz vor, aus irgendeiner Symphonie und sie sagt dir sofort, von wem das ist und was das ist. So bin ich aufgewachsen. Ich bin damit aufgewachsen, Musik ganz intensiv zu hören. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das irgendeinen Zusammenhang mit Moderat hat. 



Sascha: Dieses symphonische kommt wahrscheinlich dadurch, dass wir drei unterschiedliche Typen sind und sehr viele Schichten übereinander packen. Es ist interessant, weil ihr von der ersten Platte sprecht: wir haben uns bei der zweiten Platte bewusst ein bisschen daran gehindert, so abzugehen. Weil das teilweise die Songs ein bisschen überfrachtet. Wir haben uns eigentlich ziemlich zusammengerissen bei “II”. Das andere Motto war, dass die Platte ein bisschen weniger „schick“ klingen soll, ein bisschen weniger „produziert“.



Das Geheimnis ist also, dass Moderat mehr als die Summe seiner Teile ist?



Gernot: Wir fischen in allen Wassern und das ist auch letztendlich die Inspiration dafür, dass wir so eine Musik als Moderat machen. Weil einer wie Sascha sehr interessiert an Harmonien und teilweise fast klassischer Musik ist, wenn ich jetzt mal Steve Reich zitieren kann. Und Szary ist so ein bisschen der Hipster unter uns. Der kennt immer die ganzen neuen Bands, die keiner kennt und die dann erst in ein, zwei Jahren berühmt werden. Und ich weiß immer, was so in Clubs gerade abgeht.



Also bist du es auch Gernot, der auf Clubtauglichkeit achtet?



Szary: Livetauglichkeit.

Gernot: Clubtauglich ist ja fast schon ein Unwort. Da denke ich dann immer an diese Website mit dem grünen Hintergrund - Beatport steht da oben links in der Ecke. Ne ne. Sagen wir mal so: Die Songs müssen funktionieren. Das war halt ganz oft so gewesen, dass ich ins Studio reingekommen bin und mich dann immer gefragt hab: "Ej, wie soll'n dat gehen? Wie soll'n dat funktionieren, dat live zu spielen?" Und dadurch entstehen manchmal auch andere Versionen. 



Das ist ein gutes Stichwort – wir haben gelesen, dass ihr von jedem Song verschiedene Versionen produziert und euch erst im Laufe des Produktionsprozesses für eine entscheidet.




Sascha: Es gibt sehr wohl verschiedene Versionen eines Tracks. Man merkt halt beim einen früher als beim anderen, dass das eine Sackgasse ist und macht dann nicht weiter. Aber es gibt auch Fälle da bastelt man an mehreren Versionen durchaus parallel bis knapp vors Ende und muss sich dann am Ende irgendwie entscheiden, was da besser ist.  Aber es kommt auf jeden Fall ganz oft vor, dass man unterschiedliche Versionen hat und dann diese unterschiedlichen Versionen noch einmal unterschiedliche Versionen haben und dann wird’s plötzlich ganz unübersichtlich auf der Festplatte. Eigentlich ist es auch gut, dass wir zu dritt sind: Dann sitzen zwei im Studio, die bummeln sich tot an einem Ding und dann kommt der Dritte rein und hat’s irgendwie einen Tag lang nicht gehört und sagt: "Ej, was macht denn ihr hier? Ist doch kompletter Schwachsinn. Wir müssen wieder zur anderen Version zurück!"

Gernot: Oder er ist begeistert. Das kann natürlich auch sein. Auf der jetzigen Platte kann man sich das genau angucken, wie so ein Prozess funktioniert. Und zwar sind "Gita" und "Milk" ein und derselbe Song. Jetzt sollte man sich das mal anhören und vielleicht versteht man dann besser, was damit gemeint ist.

Auch von eurer aktuellen Single „Last Time“ gibt es mehrere Versionen.

Gernot: Genau. Da gibt’s sogar noch mehr Versionen, als wir veröffentlicht haben. Die "Alternate Version", die jetzt auf der Platte ist, ist quasi ein Szary-Alleingang.

Ja, den Track finden wir extrem gut und haben uns gefragt, warum ihr euch für den anderen entschieden habt.

Gernot: Ja, ist abgewählt worden. Das ist auch ein wunder Punkt. Wir sollten einfach jetzt die nächste Frage machen, sonst fängt er an zu heulen.

Szary: Das sehe ich nicht so. Ne, jetzt mal ehrlich. Das gehört halt zum Prozess dazu.

Gernot: Ok, Szary möchte gern darüber reden.

Szary: Ja, ich möchte gern drüber reden. War auf jeden Fall eine schwierige Geburt. Es sind keine Tränen geflossen, wäre ja auch schlimm, ne. Aber es gab auf jeden Fall eine Menge Diskussionen dabei. Am Ende war es aber auch gut so, dass die Sache sozusagen rausgeschoben wurde und dann der Song im Nachhinein als „Alternate Version“ und dann auch noch als „Demo-Version“ mit draufkam. Auch, um mal zu zeigen, wie so ein Entstehungsprozess ist.



Wie ist denn der Unterschied von „live“ zu „auf der Platte“?

Gernot: Gut, dass ihr es sagt. Ich wollte nämlich ganz schnell das Thema noch beenden. Das ist nämlich eine nicht endende Story. Es gibt von dem Track auch noch eine Live-Version, die noch mal anders ist. Und die Songs an sich sind alle fürs live spielen aufbereitet. Die sind mal schneller, langsamer oder haben mal andere Beats.

Aber prinzipiell performt ihr schon recht albumnah, oder? Es ist jetzt nicht so, dass man zehn Minuten lang nicht checkt, welcher Track eigentlich gerade kommt, weil ihr eine so große Improvisation reinbringt.

Gernot (lacht): Na, wir sind ne total verkopfte Laptop-Band, die aussehen, als würden sie auf der Bühne ihre Mails checken. Wir wissen nie was vorher passiert, weil wir alles dem Zufall überlassen. Nein im Ernst, also natürlich spielen wir die Platte. Wir spielen unsere alten Songs und die neuen Songs. Das ist ja auch eine audiovisuelle Show. Dazu kann Szary noch mal was ganz Tolles erzählen.

Szary: Ne, also ich wollte eigentlich noch was zu „Last Time“ sagen. Also während der Produktion...

Gernot: ...Oh, wir sind doch schon bei nem ganz anderen Thema.

Szary: Ej, du kriegst jetzt ein Lob Gernot. Pass auf. Ich rede ja vom Liveaspekt.

Gernot: Ach so. Na gut.

Szary: Gernot ist zum Beispiel einer derjenigen, der sehr stark an diesen Liveaspekt denkt. In der Anfangsphase der Produktion zum Beispiel, haben Sascha und ich oft einfach erstmal "gemacht" ohne groß nachzudenken. Sprich, wir haben irgendwelche Loops gebaut und irgendwann kommt dann Gernot und sagt: das geht ja gar nicht. Wie sollen wir denn das live umsetzen? Prinzipiell versuchen wir unserer Kreativität freien Lauf zu lassen, aber durch Gernot denken wir auch immer schon über die Bühne nach.

Wie sieht ein Song aus, der live nicht gut umzusetzen ist?

Sascha: Der ist dann meist zu feinteilig. Zu vielschichtig, hat zu viele Spuren, die live dann eher nach Matsch klingen. Die Songs müssen in großen Räumen bombastisch klingen, so dass es eben nicht zu verschwurbelt ist, sondern klar, einfach und fett.

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