HGich.T im Strom
"Wollen wir es Konzerte nennen"
Die Exzesse bei Auftritten von HGich.T lassen Kulturkritiker um Worte ringen. Am 18. Mai fällt das Hamburger Goa-Trash-Kollektiv im Strom ein.
Stumpf hämmernde Bässe, lächerliche Outfits, debil stierende Blicke und überall Matsch, Matsch, brauner Matsch. HGich.Ts Videos zeigen Technopartys, wie Drogenbeauftragte und greise Opernbesucher sie sich in schweißtreibenden Alpträumen vorstellen. Das Kollektiv treibt die vollständige Entgleisung immer wieder aufs Neue voran – und hat den "guten Geschmack" dabei zu seinem größten Gegner erklärt. Ihm setzen sie ungebremste Lust am Trash entgegen, stampfen in Warnwesten und Windeln auf norddeutschen Äckern herum und tanzen mit Leopardentangas und Batik-Tops im Strobolicht.
Mut zur Verblödung
Manch einer hat HGich.T vielleicht auf dem Pausenhof kennengelernt, als ihre YouTube-Videos dort massenhaft herumgezeigt wurden. 2008 landete die Gruppe mit ihren Videos zwei Hits: "Tutenchamun", eine ganz und gar mitreißende Erzählung über einen mopedfahrenden Goa-Fan, der in eine Verkehrskontrolle gerät. Und "Hauptschuhle", einer Mischung aus Obszönitäten, Fäkalhumor und dem bereits erwähnten Matsch.
Die beiden Videos wurden bis heute über fünf Millionen mal geklickt. Sie enthalten das, was HGich.T bis heute erfolgreich macht: Den Mut, seinen Spaß an der Verblödung in aller Öffentlichkeit auszutragen.
Neontrash lange vor Deichkind
Gegründet hat sich HGich.T 1996 im Umfeld der Hamburger Hochschule für bildende Künste – also lange bevor Deichkind auf die Idee kamen, Neonoutfits mit trashigen Technosounds zu verbinden. Seitdem hat die Besetzung ständig gewechselt und sich zu wahnwitziger Größe aufgeplustert.
Einige Konstanten gibt es trotzdem. Für den Gesang ist meistens Sänger Anna-Maria Kaiser zuständig; gemeinsam mit DJ Hundefriedhof schreibt er auch den Großteil der Songs. Eine Auswahl weiterer illustrer Mitglieder: Der Oberstaatsanwalt a.D. und Schlingensief-Mitarbeiter opa16, der Videokünstler und Mathematiker Dr. Diamond, Die Schöne Maike und Superminzi, Diddel der Mäusedetektiv und Tutenchamun. Wer da genau welche Aufgaben übernimmt, ist kaum zu durchschauen. Vielleicht wissen es die Mitglieder auch selbst nicht.
Sprachlose Feuilletonisten
Obwohl man dem Kollektiv den Einfluss des Kunststudiums eher nicht anmerkt, ist HGich.T regelmäßig Thema im deutschen Fernsehfeuilleton. Meistens sind die Kulturjournalisten begeistert von der entfesselten Geschmacklosigkeit, die dann zwischen Literaturkritiken und Theaterperformances gezeigt wird.
Hin und wieder sind sie aber auch etwas überfordert, wie 3sat-Kulturzeit-Moderator Ernst A. Grandits. "Wollen wir es Konzerte nennen", so ringt er um Worte bei dem Versuch, die Auftritte von HGich.T zu beschreiben. Schwer zu fassen sind diese Auftritte wirklich. Da wird herumgesprungen, herumgezuckt, und vor allem herumgebrüllt – auch gerne mal Beleidungen gegen das Publikum. Trotzdem, diese maßlosen Exzesse fesseln und versammeln bei jedem Auftritt treue Fans vor der Bühne. Richtig großartig werden HGich.T nämlich erst, wenn man die Sicherheit des Kulturfernsehens verlässt und sich von der Raserei mitreißen lässt. Man muss eben doch dabei gewesen sein.
am 18.05.2018
Beginn: 21 Uhr
VVK: ab 22,70 Euro
(Einlass ab 18 Jahren)