Platten vor die Säue
Broken Social Scene – Hug Of Thunder
Nach sieben Jahren Pause sind „Broken Social Scene“ zurück– begleitet von orchestralem Indiepop. Das heißt Taschentücher und Feuerzeuge raus, aber sofort.
Eine Retrospektive, also eine Ausstellung, in der das Lebenswerk eines Künstlers oder einzelne Facetten davon ihren Platz in Museum oder Galerie finden und den Besuchern einen Überblick über das Vergangene bringen – eine musikalische Schwester liefern uns „Broken Social Scene“ mit ihrem fünften Album „Hug Of Thunder“. Die Originalbesetzung um Kewin Drew und Brendan Canning hat sich wiedergefunden und lädt zum Rundgang durch das musikalische Können und Werk der verschiedenen Mitglieder, darunter auch Leslie Feist, ein.
Den Start macht „Sol Luna“, ein rein instrumenteller Song, der wie die orchestrale Begleitung einer Eröffnungsfeier klingt. Als eine Art Exposition leitet er das Grundthema des Albums ein: die Vielschichtigkeit. Sie spiegelt sich in den weiteren Songs nicht nur in Sound und Instrumentierung wieder, sondern vor allem auch in den verschiedenen Stimmen und transportierten Emotionen.
Verschiedene Lenker
Die Tracks auf „Hug Of Thunder“ sind kontrastreich: sphärische, verführerische und reduzierte Songs reihen sich problemlos ein neben den gerade im ersten Teil des Albums angesiedelten schweren, teils aggressiven und vorantreibenden Indiepop-Hymnen. So geben auf Songs, wie „Halfway Home“ oder „Protest Song“ die schnellen Gitarren den Ton an, während „Stay Happy“ oder auch „Towers and Mansons“ im zweiten Teil des Albums allein durch die gemischten Stimmen und Stimmungen dominiert und gelenkt werden.
Ausgeschmückt bis oben hin
Das scheinbar unüberwindbare Durcheinander und ineinander Verschwimmen verschiedener Stilrichtungen und Techniken findet auf einem handwerklich hohen Niveau statt, sodass alle Songs auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Jeder Track des Albums durchwächst eine eigene Entwicklung, die meist mit einem reduzierten Arrangement von Gitarre, Blasinstrument und Gesang beginnt und sich dann Klangschicht für Klangschicht zum Pathos steigert. Dieser klingt dann mal exotisch, mal blubbernd oder einfach nach Pop. Und zwar nach Pop, der sich kurzerhand dazu entschlossen hat, dem werten, alten Indierockopi die Haare pink zu färben.
In „Hug Of Thunder“ haben die Künstlerinnen und Künstler von „Broken Social Scene“ ihre verschiedenen Facetten eingebracht und sich so von der klassischen Rockmusik gelöst. Jeder Song verdient seine Aufmerksamkeit und nimmt eine individuelle Wirkung auf dem Longplayer ein. Auf ganzer Länge glänzt „Hug Of Thunder“ dann aber doch ein bisschen zu sehr von der dickflüssigen Pop-Glasur, die über Verfremdungseffekte wie Hall, Synthielinien oder den Overload an Orchesterpartien schon sehr großzügig auf dem Album verteilt wurde. Es ist ein Genuss, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Doch einmal kosten reicht dann auch.
Gesamtbewertung: 3,5 von 5 Punkten.
"Hug Of Thunder" von Broken Social Scene erscheint am 07.07.2017 auf City Slang.