Platten vor die Säue
Bugg - S/T
Nase voll von Pathos und Synthi? Dann raus mit dem ausgeleiertem 80er-Fetischismus und her mit Bugg, den Underground-Lieblingen aus Indiana.
Nahezu jede kulturulle Sphäre wurde in den letzten Jahren von einer besonderen Ära geprägt: den 80ern. Das Internet hats möglich gemacht, dass sich die Neonjahre noch einmal wiederholt haben. Doch langsam geht auch der zweite Tanz mit den 80ern zu Ende. Das bedeutet natürlich, dass jetzt die 90er an der Reihe sind. Aufgepuffte Frisen werden gegen den Topfschnitt eingetauscht, 80er-Vintage gegen den Adidas-Trainer der Eltern und auch in der Musik vollzieht sich ein Wechsel: vom Synth-Pop zum Alternative Rock. Allmählich breitet sich der Trend in den USA aus, doch besonders in der kleinen Großstadt Bloomington, Indiana brodelt es gerade. Und in der Mitte dieser musikalischen Mirepoix? Bugg.
Schmuddellook in der Musik
Bugg ist eine vierköpfige Rockband aus Bloomington, Indiana, die vor ein paar Jahren als Nebenprojekt zur Punkband Laffing Gas gegründet wurde. Kopf der Band ist Kora Puckett, mittlerweile fast schon eine Lokalkoryphäe für die Stadt im Mittleren Westen der USA. Schiefe Hornbrille, übergroßer Sportpullover und ausgebleichte Levis-Jeans prägen das Aussehen des Mitte zwanzig Musikers, fast so als ob die 90er nie verstrichen wären. Einen ähnlichen Eindruck bekommt man, wenn man die Debütplatte von Bugg das erste Mal auf den Plattenspieler legt. Verzerrte Gitarren, schwungvolle Drums und Melodien, die das Gehirn des Hörers nicht mehr aus ihren tentakelhaften Fängen lassen.
In der eigenen Welt zuhause
Doch es wäre ein fataler Fehler, Bugg nur als eine weitere Band abzustempeln, die jetzt auf den neuesten Trend aufspringt. Wie die kleinen Käfer zu unseren Füßen sind Bugg Teil ihres ganz eigenen Ökosystems. Die Musikszene Bloomingtons floriert tatsächlich schon seit einigen Jahren und ist das Zuhause einer blühenden Rock- und Punkszene. Bands wie Chud, The Cowboys, The Coneheads oder Liquids haben die Stadt an die Spitze der US-Underground Szene katapultiert. In Bloomington folgt man den Trends nicht, sie werden dort geschaffen. Auch Bugg, zuerst doch nur ein Nebenprojekt, fügen sich in das musikalische Blumenbeet Bloomingtons ein. Dem 90er-Trend waren Bugg von Anfang an schon Jahre voraus.
Aus der Stadt, in die Welt
Aufgrund der unauflöslichen Verflechtung der Szene, schaffen es auch nur wenige Bands auf das Pakett der größeren Indieszene. Aber das ist auch nicht das Ziel. Dass Puckett selbst mindestens drei Bands gleichzeitig am Laufen hat, offenbart deutlich mehr über den Charakter der Szene. Die Musik ist immer im Zentrum - Songs schreiben, lokale Konzerte zu organisieren und Spaß haben. Auch hier zeigt sich ein entscheidender Unterschied zum vorangegangenen 80er-Fieber. Weniger Dramatisierung, weniger Theatralik, mehr Authentizität, mehr Spontanität. Der Grund ein Debütalbum zu veröffentlichen? Keine Demotapes für Musikfanatiker mehr beschriften zu müssen, so Puckett. Erleichtert wird das durch das Trend-Punklabel Pop Wig Records.
Immernoch die Außenseiter
Das bedeutet aber nicht, dass Bugg in nächster Zeit die Seiten der größeren Musikpublikationen zieren werden. Denn auf dem selbstbetitelten Album wenden sie sich dann doch lieber den Außenseitern zu. Natürlich dringen Klänge von Nirvana beim Hören des passend betitelten Openers "Bleached" durch. Ab dann fließt das Ganze aber immer mehr in die Nischen des Alternative Rocks - von Helium und den Lemonheads über The Breeders und Veruca Salt. Damit gehen sie auch entschieden gegen den Strom des 90er-Revivals, das sich dann doch mehr an Bands wie Built to Spill oder Pavement orientiert. Dann lieber doch Punk als Indie.
Am Ende liefern Bugg somit 10 Tracks ab und das ohne Stress, ohne Erwartungen und ohne Probleme. Die erste Platte von Bugg zeigt, wie viel in den 90ern eigentlich wirklich steckt, ohne dabei Lust, Laune oder Spaß an der Musik zu verlieren. Bugg ist ein Album, in dem man sich verlieren kann und soll. Ein Album, das einen nicht so schnell verlässt.
Gesamtwertung: 4 von 5 Punkten.
Bugg erscheint am 01.12.2017 auf Pop Wig Records.