Platten vor die Säue
David Byrne - American Utopia
Ex-Talking Head und Meisterkünstler David Byrne bringt nach 14 Jahren wieder ein Album raus. Unter Zusammenarbeit mit Sampha und Brian Eno.
David Byrne ist ein fleißiger Mann. Vielleicht sogar der fleißigste Künstler der letzten Jahre. Wie das sein kann, bei 14 Jahren Pause zwischen zwei Alben? Streng genommen hat er in der Zeit ja durchaus Musik rausgebracht. Zum Beispiel ein Album mit der New Yorker Art-Pop-Veteranin St. Vincent. Dazu kommen einige Musical- und Theaterinszenierungen und sein Buch How Music Works. Zuletzt hat der 65-Jährige sein Projekt Reasons To Be Cheerful vorgestellt. Eine simple wie geniale Idee - Byrne zeigt darin nämlich ganz allgemein, welche positiven Entwicklungen es auf der Welt so gibt. Und das in einer Zeit, in der negative Schlagzeilen scheinbar alles beherrschen. Mit Laptop und Power-Point-Präsentation bewaffnet hat er das Projekt sogar in verschiedenen Städten auf der Welt vorgestellt. Byrne ist heutzutage einfach einer der wenigen Künstler, der seine Arbeit mit vollem Engagement und großer Hingebung auslebt, so auch auf seinem neuen Album American Utopia.
Danke für die Einladung
"Everybody's Coming To My House" war die erste Single der neuen Platte und ist zugleich das Stück, das am meisten nach vorne geht. Mit gewohnt verrückt-paranoidem Halb-Sprechgesang geht es los, dazu ein launischer Beat. Der Track enstand in Zusammenarbeit mit Brian Eno und Sampha. Wobei der Handschliff dieser beiden namhaften Künstler leider zu kurz kommt und nicht wirklich rauszuhören ist. Besser klappt es dagegen bei dem Song "This Is That", eine Kollaboration zwischen Byrne und Daniel Lopatin, besser bekannt unter seinem Pseudonym Oneothrix Point Never. Hier hamonieren Lopatins elektronische Beat-Kunst und David Byrnes außergewöhnlicher Gesang perfekt. "It's Not Dark Up Here" kommt mit tropischen Rhythmen daher und könnte fast in den berühmten Compass Point Studios auf den Bahamas aufgenommen worden sein. Eben jene Studios, in denen die Talking Heads ihr zweites Album More Songs About Buildings And Food (1978) und ihr Meisterwerk Remain in Light (1980) eingespielt haben.
Sounds über Texte
Ein echter Negativpunkt ist allerdings die textliche Seite der Platte. Eigentlich ist Byrne ja ein großer Textdichter, dem wir großartige Zeilen wie "Heaven is a place where nothing ever happens" oder "..and you may ask yourself, 'Well, how did I get here?'" zu verdanken haben. Dagegen wirken Stellen wie "I dance like this because it feels so damn good" dann doch eher lahm. Auf musikalischer Ebene ist ihm jedoch etwas gelungen, was Kollegen seiner Generation heutzutage nur selten schaffen: American Utopia klingt unfassbar zeitgemäß und dabei stört es auch nicht, dass seine Stimme etwas in die Jahre gekommen ist.
Wer von diesem Album erwartet, die Musik der Talking Heads im Jahre 2018 zu hören, der wird enttäuscht. David Byrne hat sich von den Talking Heads weitestgehend abgeschottet, obwohl er auf seiner laufenden Tour einige Klassiker live spielen wird. Das gefällt übrigens nicht jedem. Talking Heads-Drummer Chris Frantz beschwerte sich kürzlich via Facebook: "He's going to play our songs with anyone but us". Im Endeffekt müssen sich die Fans der New-Wave-Legenden damit abfinden, dass es zu keiner Reunion mehr kommen wird. Byrne selbst reagiert in Interviews eher abweisend gegenüber der berühmten Wiedervereinigungs-Frage. Trotzdem wird es sich lohnen, David Byrne auf seiner kommenden Europa-Tour mal live zu sehen. Nicht umsonst hat er versprochen, es werden die größten Shows seit dem vielleicht besten Konzertfilm aller Zeiten, Stop Making Sense. Mit American Utopia wird er eine hörenswerte Platte vorstellen, die in vielen Facetten überzeugt, aber leider keinen Vergleich zu früheren Werken darstellt.
Gesamtbewertung: 3,5 von 5 Platten
American Utopia ist am 09.03.2018 über Todomundo / Nonesuch Records erschienen.