Platten vor die Säue
Destroyer - ken
Back to the roots: Indie-Querkopf Dan Bejar kehrt dem Pomp des Vorgängers den Rücken zugunsten eines reduzierteren Sounds.
Man muss sich Dan Bejar als glücklichen und selbstzufriedenen Menschen vorstellen: Jahre-, eigentlich jahrzehntelang lang hat er mit seiner Band Destroyer – deren Besetzung sich stetig verändert hat – Album nach Album veröffentlicht. Unbeachtet blieb die Vancouver Band freilich nicht, ihre Werke wurden meist wohlwollend aufgenommen. Doch in der Indie-Welt spielten sie meist nur in der 2. Liga: zu den Größen des Genres gehörten sie nie.
Mit ihrem bereits 10. Album „Kaputt“ aus dem Jahre 2011 änderte sich ihr Status jedoch schlagartig. Die Platte wurde von allen Kritikern hochgelobt und hinterließ soviel Eindruck, dass sie es, obwohl bereits im Januar veröffentlicht, auch auf viele Jahresbestenlisten geschafft hat. Die Anerkennung ihres Werkes zog dann auch einen kommerziellen Erfolg nach sich. Die neu gewonnenen finanziellen Mittel ermöglichten schließlich 2015 den Nachfolger „Poison Season“, auf dem die Band auf eine breite Instrumentierung zurückgreifen und sich künstlerisch verwirklichen konnte. Dan Bejars Ausdauer hatte sich letztendlich bezahlt gemacht.
Eine Band am Scheideweg
Wenn ein Künstler den, zumindest zeitweiligen, Höhepunkt seines Schaffens erreicht, bieten sich ihm meist zwei Möglichkeiten: Weitermachen wie bisher und hoffen, dass sich die Kuh weiter melken lässt oder neue Wege bestreiten auch auf die Gefahr hin, zu scheitern. Dan Bejar gehört in dieser Typologie zweifelsohne zu der letzteren Sorte. Wurde „Kaputt“ noch für seinen überraschend unkitschigen 80er Jahre Vibe gefeiert, beeindruckte „Poison Season“ mit einem Big Band Sound, der an Filmmusik erinnert.
Auf dem aktuellen, 12. Album „ken“ ruhen sich Destroyer ebenfalls nicht auf ihren Lorbeeren aus. Der Bombast des Vorgängers wurde über Bord geworfen, um sich einem schlichteren und reduzierterem Sound hinzugeben. Der Ausgangspunkt dieser Umorientierung war Dan Bejars akustische Solo Tour durch die Staaten im Herbst 2016. Während dieser entwickelte er Demos in seinem jeweiligen Hotelzimmer, und spielte sie dann direkt live beim nächsten Auftritt. Die anfängliche Idee, aus den Demos ein Soloalbum zu basteln, verwarf Bejar jedoch wieder. Stattdessen ging er nach der Tour mit Drummer Josh Wells ins Studio und entwickelte aus den Songskizzen die Tracks für „ken“. Die restlichen Musiker von Destroyer wurden während der Aufnahmen nur sporadisch eingeladen, um bestimmte Sequenzen einzuspielen. Bejars Ziel war, möglichst viel selber zu machen, um sich mal wieder „die Hände schmutzig zu machen,“ wie er es nennt. Im Gegensatz zum letzten Album „Poison Season“ wo er sich mehr wie ein Dirigent vorkam, dessen Hauptjob es war die vielen beteiligten Musiker zu koordinieren.
Synthesizer ersetzen Streicher
Im Mittelpunkt von „ken“ stehen die dominierenden Synthesizer, die durch die stoischen Drum Machines ergänzt werden; für beides zeichnet sich Drummer Josh Wells verantwortlich, der auch die Platte produzierte. Damit besinnt sich Destroyer wieder auf Tugenden des Durchstarteralbums „Kaputt“. Jedoch wird auf „ken“ weniger dem Synth-Pop der 80er gehuldigt, sondern findet Inspiration im britischen New Wave und jungen Brit-Pop. Im Gegensatz zu den zwei vorhergegangenen Alben versucht sich Bejar an einem Minimalismus, der sich in der reduzierten Instrumentierung und der direkteren Songstrukturen niederschlägt. Dies äußert sich auch in der Kürze der meisten Songs. Am meisten profitiert hier Bejars markante Stimme, die schon immer das Markenzeichen Destroyers war und der nun mehr Aufmerksamkeit zu Teil wird.
Trotz des selbstauferlegten Minimalismus gestaltet sich „ken“ recht abwechslungsreich. Verträumt-wavige Songs („Sky‘s Grey", „Rome") wechseln sich ab mit eher treibenden Nummern („Sometimes in the World“, „La Regle du Jeu“). Dazwischen überrascht der straight rockende Track „Cover From the Sun“ und die fast akustische Ballade „Saw You at the Hospital“. Ebenfalls überraschend wie auch mysteriös gestalten sich erneut die kryptischen Lyrics Bejars. So wenn er zum Beispiel in „Sky‘s Grey“ singt:
„The groom's in the gutter /
And the bride just pissed herself“
Summe ohne Teile
Auf seinem Quasi-Soloalbum „ken“ konzentriert sich Dan Bejar wieder auf einen direkteren Sound und lässt den Pomp des Vorgängers hinter sich. Diese Entwicklung lässt sich zunächst begrüßen da sie zeigt, dass Destroyer trotz des Erfolges der letzten zwei Alben nicht auf der Stelle treten wollen. Das Album zeigt jedoch auch, was Bejar schon früher einmal formuliert hat: Dass Destroyer vom Zusammenspiel der involvierten Musiker lebt und nicht nur von Mastermind Dan Bejar allein. Fast auf sich allein gestellt gelingt Bejar zwar ein erfrischend neuer Sound, der aber oft droht in die Belanglosigkeit abzudriften.
Gesamtwertung: 3 von 5 Punkten.
„ken" erscheint am 20.10.2017 auf Merge Records.