Platten vor die Säue
Farao - Till It's All Forgotten
Aus einem kleinen norwegischen Gebirgsdorf über London nach Island für's Debutalbum: Kari Jahnsen macht unkonventionelle Popmusik.
Wer vom Dorf kommt, den zieht es nicht selten - zumindest vorübergehend - in die große Stadt. Auch Farao (bürgerlich Kari Jahnsen) wechselte vom sehr beschaulichen Ulnes in Norwegen nach London. Mittlerweile lebt sie in Berlin, Teile ihrer ersten Platte hat sie zwischen den Umzügen aber in Island aufgenommen - und das Debut Till It's All Forgotten klingt tatsächlich ein bisschen, wie man sich Musik von der Insel der Elfen und Trolle vorstellt: Atmosphärisch dicht, manchmal etwas übertrieben und mit allerhand Überraschungseffekten versehen.
Gelernt ist gelernt
Dass sich Kari Jahnsen gelegentlich zu einem "Zu Viel" verleiten lässt - ihre zu Chorsätzen aufgestapelte verfremdete Stimme, Glockenspiel, Bläsersatz und elektronische Soundeffekte - mag daran liegen, dass sie ihr Handwerk gelernt hat. Sie spielt Gitarre, Bass, Schlagzeug und etwas Klavier und hat Musik studiert, wenn auch nicht bis zum Abschluss. Das Schreiben ihrer Songs geht sie laut eigener Aussage trotzdem ziemlich unstrukturiert an: Sie komponiert drauf los und versucht anschließend, ihre Werke zu beurteilen, als hätte jemand anderes sie geschrieben. Was ihr überflüssig erscheint, wird gekürzt, was nicht gut genug ist, fliegt.
Einfach ist anders
Farao macht es sich und dem Hörer respektive der Hörerin nicht leicht. Sie setzt auf unkonventionelle Rhythmen. Wer doch mal ins Kopfnicken zur Musik verfallen sollte, dem klaut Farao direkt mit einem unerwartet gesetzten Break die Tanzlust. Die Arrangements sind komplex und unter den zehn Titeln der Platte findet sich nichts, was nur ansatzweise das Zeug zu einem Mitsing-Hit hätte. Die Schönheit ihres Dream-Pop liegt in der Stimmung, die damit erzeugt wird. Man kann sich davon einlullen lassen oder darin auf Entdeckungsreise gehen - ihren Ideenreichtum versucht Farao schließlich in jedem einzelnen ihrer Songs vollständig unterzubringen.
Mit ihrem Album wendet sich Kari Jahnsen ab von den Folkeinflüssen, die ihre selbstbetitelte Debut-EP noch deutlich geprägt hatten. Bei beiden Erzeugnissen hatte Mike Lindsay von Tunng als Produzent seine Finger im Spiel. Bei Till It's All Forgotten findet sich noch ein anderer bekannter Name: Andrew Scheps, der schon für Hozier und Lana Del Rey gearbeitet hat, hat das Album gemischt. Alles andere, abgesehen von Schlagzeug und Blechblasinstrumenten, hat Farao selbst übernommen.
Fröhlichkeit ist überflüssig
Wer sich in seinem Unglück suhlen möchte, findet hier den passenden Soundtrack: Bodies beschäftigt sich laut Farao mit der unerfreulichen Situation, sich seinen schlechten Entscheidungen zu ergeben und bewusst dem falschen Weg zu folgen. In Warriors wird die Erschöpfung thematisiert, die einen ereilt, wenn man ständig kampfbereit sein möchte. Hunter ist ein etwas Angst einflößendes Liebeslied, das nicht nach Happy End klingt, so wie das ganze Album ohne optimistische Sequenzen auskommt. In den Texten geht es um das Gefühl von Unbehagen und die Gefahr, die Fassung zu verlieren. Sigur Rós und Radiohead kann man deutlich als Faraos musikalische Vorbilder erkennen. So wegweisend ist ihre Platte nicht, aber die Norwegerin ist auf einem guten Weg.
Auf der Website der New York Times gibt es das Album derzeit im Stream.
Gesamtbewertung: 3 von 5 Punkten
Till It's All Forgotten von Farao erscheint am 11. September 2015 bei Full Time Hobby.