Platten vor die Säue
Son Lux - Bones
39 Minuten Chaos – Mit Bones kreieren Son Lux ihren eigenen Kosmos in einem musikalischen Abenteuer.
Son Lux ist das Pseudonym von Ryan Lott. Der US-amerikanische Sänger und Multiinstrumentalist ist mit drei Soloalben, Projekten wie s/s/s und Sisyphus und unzähligen Kolloborationen mit Künstlern wie Sufjan Stevens, Caroline Shaw oder Lorde längst kein Unbekannter mehr. Sein musikalischer Werdegang begann allerdings holprig. Klavierspielen gehört in Lotts Familie zum guten Ton, genau wie seine älteren Geschwister wird er als Kind zum Unterricht gezwungen. Tränen und Widerstand helfen nicht, die Eltern haben den längeren Atem – zum Glück.
Entgegen seiner Rebellion als Jugendlicher studiert Lott später Komposition und Piano, zieht nach New York, arbeitet als Komponist für verschiedene Werbeagenturen und wird zuletzt bekannt durch seine Remixe von Beirut und Castanets. 2008 veröffentlicht er sein Debut At War With Walls And Mazes.
Change is everything
Sieben Jahre später ist das Projekt Son Lux um zwei weitere Mitglieder gewachsen. Mit Drummer Ian Chang und Gitarrist Rafiq Bhatia ist Ryan Lott nun zu dritt unterwegs - live und im Studio. This Moment Changes Everything singt Lott auf der Vorabsingle des neuen Albums Bones.
Ein elektronisch wabernder Soundteppich und hymnische Chöre im Hintergrund begleiten die heisere, von Pathos erfüllte Stimme, immer wieder unterbrochen von brachialem Gehämmer. Es ist emotionale Musik, mit flüchtigen und poppigen Melodien, aber doch unkonventionell und bizarr durch Sounds und Rhytmik. Ein Konzept, das für das ganze Album funktioniert.
Klang um Klang ein eigener Kosmos
Was das Video zu Change is Everything bildlich darstellt, schafft auch die Musik allein: Es lässt eine ganz eigene Welt entstehen. Song um Song schieben sich Klangfragmente in einander. Der Song Flight scheint erstmal völlig überfüllt mit Soundschnipseln und abgehakt durch die wildesten Brüche. Auch Now I Want wirkt zunächst überladen und unharmonisch. Im Sekundentakt wechseln sich Soundschichten, Melodien und rhytmische Brüche ab. Die Songs schwanken von einem Extrem zum Nächsten.
Sperrigkeit trifft Pathos
Ein Element schafft es jedoch all die sperrigen Motive zu vereinen. Lotts eigener Gesang. Seine Stimme ist die Komponente, die die Puzzleteile zu einem Ganzen zusammenfügt. Mal in Form von Wortfetzen (Breathe In / Breathe Out), mal als melancholische Hymne (Undone) oder düster und fast gehaucht in I Am The Others. Auch tauchen immer wieder helle bis seichte Frauenstimmen auf (White Lies), die das Dunkel unterbrechen. In nahezu allen Songs ist die Stimme der wichtige, besänftigende Gegenpol zur gewaltigen Produktion.
Eine emotionale Explosion
Bones hat viel zu bieten: Brachiale Soundexperimente (This Time) und Dramen, die sich monumental aufbauen, um schließlich in der totalen Reduktion zu verebben (You Don´t Know Me). Mit I Am The Others sogar eine elegische Ballade, kühl elegant und mit weniger Wucht.
Trotz Technik und Können, bombastischen Soundexperimenten und bisweilen ein wenig verkopft wirkenden Kompostionen, berührt das Album auf emotionaler Ebene. Im Laufe der elf Tracks scheint man alle Höhen und Tiefen, am eigenen Körper mitzuerleben, bisweilen erschüttert "bis auf die Knochen“. 39 Minuten sind da plötzlich eine Ewigkeit (und eine echte Belastungsprobe).
Die Ideen die Son Lux in Bones stecken, könnten für mehrere Alben reichen. Dieses Übermaß an Motiven und Klängen entspricht aber auch ihrem eigenen, exzentrischen Charakter. Und trotz überbordender Energie und ganz viel Drama gibt es eben auch die stillen und spärlichen Momente. Diese Abwechslung macht das Album aus und bietet mit Songs wie dem traurig-schönen I Am The Others Momente in denen man sich in Klang und Zeit verlieren kann. Breathe Out...
Gesamtbewertung: 4,5 von 5 Punkten
Bones von Son Lux erscheint am 19.06.15 auf Glassnote Records