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Platten vor die Säue

WELCOME TO THE INTERNET!

Quelle: Staatsakt

Fraktus - Welcome To The Internet

Fraktus haben Raum und Zeit hinter sich gelassen. Sie entdecken: Das INTERNET!! Torsten, Dickie und Bernd auf die Feststelltaste ihres Lebens!

Wenn man einmal ganz ehrlich ist, bewegt sich das Trio Fraktus ja schon seit öh... EWIGKEITEN jenseits aller weltlichen Dimensionen. Zeit? Raum? Das sind die banalen Daseins-Koordinaten für Ottos und den Otto-Normalbürger! Fraktus, Keule,  gestrickt sind anders!

Bis 2012 z.B. konnte sich kaum ein Jemand daran erinnern, dass es diese drei Mannen von Fraktus gewesen sein sollen, die rund dreißig Jahre zuvor, in den popmusikalisch so "total bedeutsamen 1980er-Jahren" (Diedrich Diederichsen) den Techno erfanden. Was Caravaggio für die Renaissance, das Fraktus für die surged-up-Eighties! Drei Musikmaler. Torsten Bage [sprich: bäätsch]. Dickie Starshine (formerly known as Schubert). Bernd "Bernd" Wand. Drei Selbst-Gebaute. Mit virtuosem Equipment. Drei Musik-Mahler! "Fraktus waren die Großmeister", so auch erklärten es uns vor drei Jahren, in einer Dokumentation über die Band, die glaubwürdigen Zeitzeugen Stephan Remmler („Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei“), H.P. Baxxter („Hyper Hyper“), und/oder Westbam („Bam Bam Bam“).

Weitere, mittlerweile auch im Internet abrufbare Amateur-Aufnahmen "von damals" [Anm. der Redaktion] legen zusätzlich Zeugnis ab. Wovon?? Davon, dass es die Band Fraktus tatsächlich gegeben hat!!! ++Say whaaat!++ Und, hell yeah: Seit drei Jahren gibt es Fraktus w-i-e-d-e-r!! Juhu!!! Einige Chemtrailer, denen bekanntlich ja nicht mehr zu helfen ist, behaupten zwar dummdreist und faktenarm, es handle sich bei der ganzen Fraktus-Nummer "nur" (Anonymous) um ein ausgefuchstes Projekt der Hamburger Künstler-Troika Rocko Schamoni, Jacques Palminger und Heinz Strunk, besser bekannt vielleicht als „Studio Braun“. ... Im Pressetext zur vorliegenden Platte „WELCOME TO THE INTERNET“ liest man davon allerdings nichts. Ha!

Im Gegensatz zum Vorgänger-Album, das 2012 zeitgleich zur Doku erschienen war, und das als eine Art Best-of-Platte bewertet werden darf, experimentieren Bernd, Torsten und Dickie auf ihrer neuen Scheibe nun mit den Sounds von 2015 und verarbeiten textlich ihre Erfahrungen mit der Gegenwart. Weil Kunst ja immer Gegewart ist (isdasso?). Und Fraktus ja Künstler sind! Whoopwhoop!

Der Titel der Platte ist der gebündelte Ausdruck dieser intensiven Auseinandersetzung von Fraktus mit ihrem (futuristischen?) Hier und Jetzt. Und so ist es auch der gleichnamige Eröffnungstune:

Auch löffelscharfe Gegenwartsanalysen wie

„Süd-Amerika hat Shakira. Was haben wir? Maler und Lackierer!“ (Maler und Lackierer)

weisen darauf hin, dass Fraktus mit offenen Augen durch die Welt rüsseln. Sie saugen alle Informationen gierig auf und spitzen sie in ihren musikalischen Kunstdarm. Tunes, so prall wie Würste (aber nicht so krebserregend, Nachtrag der Redaktion). Elf davon konzentrieren sich auf "WELCOME TO THE INTERNET". Und viele Themen sind weltlich: „Saugetücher“, die genannten "Maler und Lackierer" oder „Schuhe aus Glas“ sind Alltag. „Mary Poppins“ ist das "Wunder von Bernd". Globalistische Betrachtungen gibt es bei „Originals“ [bitte deutsch auszusprechen]. Philosophisch getextet hingegen wird bei „Jeder Gegen Jeden“:

„Jeder gegen Jeden und Jeder für sich.“ (Jeder Gegen Jeden)

Zum Abschluss der Platte ertönt eine Ode an die Freundschaft („Freunde sind Friends“). Das klingt festlich wie 1983 „Turaluraluralu – Ich mach Bubu, was machst Du?“ von Trio. Übrigens: Wahre Freundschaft verband Dickie, Torsten und Bernd nie. Dafür waren sie als Geschäftspartner stets professionell genug. Darunter leiden tun sie freilich dennoch. Und zwar: Jeder. Für. Sich.

Weiter: Alles bleibt dancy. Alles bleibt Avantgarde! Yeah! Musikalisch fällt „WELCOME TO THE INTERNET“ allerdings vielschichtiger aus als das die Platte von 2012. Aber warum??

Vor drei Jahren wirkten Fraktus einheitlicher. Mehr bei sich. So als Band. 2015 vorfindet man drei Individualisten. Die fassen in eigenen Stücken ihre jeweiligen Talente unter dem Label „Fraktus“ zusammen. Ein verbindendes Element: Die zahlreichen, sehnsuchtsbesoffenen Querflöten-Soli des Ex-Ibiza-Geilianers Torsten Bage. Und ein weiteres Gemeinsames - nicht leicht zu greifen, aber spürbar anwesend: Traurigkeit. Dezent, aber da. Spekulieren kann man, woher diese rührt. Man muss das aber nicht. Es wirkt fast so, als wären Fraktus forsch und müde zugleich. Sich ihrer, naja, sagen wir "Gebrechen" bewusst - Bernd Wand, z.B., leidet seit Jahren an Kongozunge, das ist bekannt -  deswegen aber noch lange nicht bereit, Abstriche gegenüber einer aufregenden, sich aber eben auch echt schnell verändernden Welt gegenüber zu machen! That's Fraktus!! Unerschrocken durch alle Zeiten und auf der Suche nach Freundschaft, wo es keine Freundschaft geben darf! Das ist Fraktus' Tragik.

Also: Der perfekte Sound um beim Tanzen zu Weinen.

Gesamtbewertung: 5 von 5 Punkten

"WELCOME TO THE INTERNET" von Fraktus ist am 27.November 2015 bei Staatsakt. erschienen.


Fraktus, die Band. Quelle: Staatsakt/Kerstin Behrendt

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