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Platten vor die Säue

Zeal & Ardor - Stranger Fruit

Autor(en): Anna Weiß am Montag, 18. Juni 2018
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Quelle: Mvka

Zeal & Ardor - Stranger Fruit

The strangest fruit tastes the sweetest – und hört sich einfach am besten an: Zeal & Ardor krempelt mit neuer Platte unsere Hörgewohnheiten um.

Manuel Gagneux, der sich als Künstler Zeal & Ardor (Eifer und Hitze) nennt, ist einer dieser Musiker, die man besser nicht einzuordnen versucht. Nachdem er selbst das Vorsprechen an der Jazzschule in Basel abgebrochen und einige Zeit mit verschiedenen Musikprojekten verbracht hat, kam ihm aus Langeweile eine Idee. Auf der Website 4Chan bat er Leute, ihm verschiedene Stile vorzuschlagen, aus denen er so schnell wie möglich einen Song schreiben wollte. Bei dem Vorschlag „Gospel“ und „Black Metal“ wurde er hellhörig.

Hör mal, wer da growlt

Er blieb bei dieser Kombination. Virtuos verbindet er Gagneux Soul, Gospel und Blues mit Black Metal und bedient sich dabei mit vollen Händen an diesen Stilen. Das Besondere an der Platte ist, dass nicht der Eindruck entsteht, dass jemand etwas ganz Verrücktes machen wollte („ein Stilmix, wie originell!“), sondern dass diese unterschiedlichen Genres sich ganz organisch zu etwas Neuem verbinden.
 
Die Platte geht eher ruhig mit einem Intro los, auf das der soulige „Gravediggers Chant“ folgt, der fast wie ein Soundtrack zu einem Tarantino-Film klingt, jedoch einige Metal-Einflüsse hat, die kaum im Mainstream zu finden sind. Von da an wird jeder Song immer härter, die Gitarren schreien, Gagneux growlt und zwischen den fordernden Drums und der atemberaubenden Schnelligkeit mischen sich rythmisches Klatschen und soulige Gesänge, die manchmal motownmäßig, manchmal spirituell anmuten.
 
 
Außer „the heremit“, „the fool“ und „solve“ sind alle Songs ausnahmslos schnell und fordernd. Für Musikliebhaber, die gerne etwas Neues entdecken, ist Stranger Fruit grandios. Nicht-Metaler, die gerne Soul und Blues hören, könnten bei Zeal & Ardor ganz schön viel Input bekommen – dabei sollte das Album aber lieber in homöopathischen Dosen genossen werden.

Vielseitig und eigensinnig

Manuel Gagneuxs Karriere plätscherte bis zu der eingangs beschriebenen 4Chan-Offenbarung eher vor sich hin. Der Basler ist Halbamerikaner und hat sein Glück auch in New York probiert. Neben seiner Musik hat er verschiedene Jobs gemacht, vom Hundesitter bis zum IT-ler war viel dabei. Seine Fusion aus Blak Metal und Gospel hätte ein Internetphänomen bleiben können, wenn die amerikanische Journalistin Kim Kelly nicht vor zwei Jahren einen begeisterten Tweet absetzte, der Manuel Gagneux schlagartig bekannt machte und ihm weltweit Fans bescherte. Zu dem Zeitpunkt hatte er noch nicht mal eine Band, denn Zeal & Ardor ist als "one man show" gestartet. Auf „Stranger Fruit“ ist er aber mit einer Band am Start, die es ganz schön in sich hat. Und der Name des Albums? Der ist inspiriert von Billy Holidays Song „strange fruit“, in dem sie von seltsamen Früchten singt, die von Bäumen hängen – gemeint sind damit tote Körper - die von schwarzen Menschen, die von weißen Rassisten erhängt wurden. Gagneux beschäftig sich schon länger mit der Thematik. In früheren Songs fragt er sich was passiert wäre, wenn sich Sklaven damals nicht der Religion ihrer Unterdrücker, sondern dem Satanismus angeschlossen hätten.
 

Anleihen und Abgrenzungen

Abgesehen von dieser schwereren Thematik spielt er auch mit Elementen, die klassischerweise in der Metal-Szene genutzt werden. Okkulte Motive etwa werden in die Musik integriet. Gleichzeitig bewahrt Gagneux eine Distanz zu der Szene und vermeidet es, sich einordnen zu lassen. Das passt zu dem unprätentiösen Musiker, der hoffentlich weitere geniale Alben wie Stranger Fruit aufnehmen wird.

Gesamtwertung: 4 von 5 Punkte.

Stranger Fruit von Zeal & Ardor ist am 08.06.2018 über MVKA erschienen.

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