Verschwörungstheoretiker
Gefährliche Parallelgesellschaft
Spätestens seit dieser Woche weiß jeder, was sogenannte "Reichsbürger" sind. Tatsächlich gibt es sie aber bereits seit rund 30 Jahren.
Mit dem Tod eines Polizeibeamten durch einen "Reichsbürger" aus Franken hat das Treiben der Bewegung einen traurigen Höhepunkt erreicht. Schon seit Längerem beschäftigen die sogenannten "Reichsbürger" die Bundesrepublik. Die auch als "Germaniten" bekannten Abtrünnigen gibt es schon seit fast 30 Jahren.
Austritt aus der Gesellschaft
1980er Jahre: Wolfgang Gerhard Günter Ebel ruft die Bewegung ins Leben. Der gebürtige Berliner hatte bei der Reichsbahn gearbeitet. Er gilt als Mitbegründer einer kruden Ideologie, die die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat anerkennt. Mitte der 1980er Jahre ruft Ebel in Berlin eine eigene "Kommissarische Reichsregierung" aus und bezeichnet die BRD als illegale Vereinigung, hinter der angeblich eine "jüdisch-freimaurerische Verschwörung" stecke. Außerdem spricht er Deutschland ab, eine Verfassung zu haben und souverän zu sein. Zu den Größen der Szene gehören auch Rechtsextremisten, wie Horst Mahler und Sylvia Stolz, die sich in den 1990er Jahren die Gründung eines "4. Reiches" und die Rückkehr zum Nationalsozialismus wünschen und zu der Zeit einige Reichsbürgerorganisationen gründen. Beide werden wegen Holocaustleugnung verurteilt.
Alles andere als lustig
Die Ziele der Reichsbürgerbewegung sind alles andere als lustig: sie fordert die Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1914, 1937 oder 1939. Dazu kommt Antisemitismus und Rassismus, dennoch ist die Bewegung ein heterogenes Geflecht aus Gruppen von Rechtsextremisten, Verschwörungstheoretikern oder Esoterikern. Die Szene besteht aus vielen einzelnen, zum Teil rivalisierenden "Reichsregierungen". Inzwischen wurden auch Verbindungen zur islamfeindlichen Pegida-Bewegung beobachtet.
Zunehmende Radikalisierung
Dass sich "Germaniten" eigene Pässe zulegen und gegen Behörden rebellieren, ist problematisch. Wirklich gefährlich ist aber, dass sich ein Teil der Bewegung bewaffnet hat. In Berlin wurden bei der Durchsuchung einer Wohnung massenhaft Chemikalien zum Bau von Bomben sicher gestellt. Erst im August wurde ein Polizist von einem sächsischen "Reichsbürger" angeschossen, als das SEK dessen Waffenlager ausheben wollte. Auch Morddrohungen in NS-Manier gehören zum Repertoire der "Germaniten". 2012 wurde ein Brief der "Reichsbewegung - Neue Gemeinschaft von Philosophen" verschickt und auch im Internet verbreitet. Darin forderten die Schreiber alle "raum-, wesens, und kulturfremden Ausländer in Deutschland, insbesondere (...) Türken, Muslime und Negroide (Schwarze und Halbschwarze)" auf, das Land bis zum 1. August des Jahres zu verlassen. "Standrechtlich erschossen" würden alle dazugehörigen Personen, die dann ab dem Tag eines Kriegsbeginns zwischen NATO und Russland in der Zukunft noch in Deutschland angetroffen würden. In den letzten Jahren häufen sich Meldungen über Vorfälle mit den "Reichsbürgern". Ende November 2012 beispielsweise hielten "Reichsbürger" in Sachsen einen Gerichtsvollzieher gefangen, der eine Zwangsvollstreckung durchführen sollte. Dieser musste von der Polizei befreit werden.
Nach dem Tod des Polizeibeamten im fränkischen Georgensgmünd ist eine Debatte über Konsequenzen entbrannt, eine Überwachung durch den Verfassungsschutz wird es vorerst trotzdem nicht geben. Laut Berichten des "Kölner Stadt-Anzeigers" sieht das Bundesamt für Verfassungsschutz bisher keinen Bedarf. Die "Reichsbürger" seien nicht bundesweit vernetzt und auch nicht durchweg rechtsextrem.