Sprachmissbrauch
"Das ist ja voll behindert!"
Wörter wie "behindert" oder "Spast" gehören für einige zum alltäglichen Vokabular, das sie teils unterbewusst aussprechen. Was Sprache anrichten kann.
Es ist drei Uhr nachts, ich bin mit meinen Freunden auf einer Hausparty. Wir trinken gerade gemütlich Bier im Garten. Dann kommt einer von den Jungs auf die originelle Idee, sein fast leeres Bier auf mein neu aufgemachtes zu hauen. Zwei Sekunden vergehen, alle warten auf die Fontäne aus dem Bier, die dann schließlich auch die Hälfte meines Ärmels eindeckt. Ich lache, halte das Bier weg und rufe "Du Spast". Alle lachen, die Stimmung ist gut.
Diskriminierung im Sprachgebrauch
Einige meiner Freunde, Bekannten und Arbeitskollegen sagen regelmäßig "Schwuchtel". Das sagen sie, wenn sie finden, dass ein Mann etwas weibliches tut. "Schwul" steht dabei oft auch einfach für schwach. Ich habe vor ein paar Jahren erlebt, dass "jüdisch" auch mit "gierig" gleichgesetzt wird. "Du Mongo" steht als Beleidigung auch ziemlich hoch im Kurs. Und "behindert" ist ja sowieso weitestgehend etabliert, bei jedem meiner Freunde.
Doch da hört es ja nicht auf. Alte Redewendungen zum Beispiel ordnen Kinder schon früh in ihre entsprechende Geschlechterrolle ein. Sätze wie "du schreist ja wie ein Mädchen" können bei einem kleinen Jungen einfach keine andere Reaktion als akutes Unbehagen hervorrufen. Denn ihm wird signalisiert, dass etwas mit ihm nicht stimmt. Echte Männer würden ja schließlich tiefer oder gar nicht schreien. Und wenn er seine Rolle als Mann nicht erfüllt, dann stimme ja wohl etwas nicht mit ihm, ansonsten würde er ja nicht auf das Schreien angesprochen werden. Solche Ängste werden zusätzlich durch uralte und ur-konservative Scheinweisheiten verstärkt. Was geht wohl in dem ohnehin schon verunsicherten kleinen Kind vor, wenn es dann noch so etwas wie "Ein echter Mann kennt keinen Schmerz" hören muss?
Homophobie, Sexismus und Behindertenfeindlichkeit in deutschem Hip Hop
Größtenteils unterbewusste Diskriminierung ist also auch 2016 im Sprachgebrauch verankert. Woran das liegt? Dafür gibt es sicher mehrere Gründe. Einer davon ist sicherlich, dass Homophobie in einigen Medien vertreten sind, die sehr viele Menschen konsumieren, deutscher Hip Hop zum Beispiel. Wie viele Disstracks gibt es im Deutschrap, bei denen nicht irgendein diskriminierendes Wort benutzt wird?
Mal ist das völlig offen wie bei Lance Butters, der mit seinem Song "Dämliche Faggots" bereits über 1,8 Millionen Klicks auf Youtube geerntet hat. Derweil weist Bushido "Missgeburten" zurecht (Song: G$D) und Testosteron-Schrank Kollegah rappt: "Frauen sind Objekte in meinen Augen, wie Kontaktlinsen". Es ist die dominante Norm, seine eigene Kredibilität und Männlichkeit zu unterstreichen, indem Minderheiten und Frauen herabgewürdigt werden.
Die Rhetorik der Verfechter
Wenn man dann aber das Gespräch mit den Verfechtern sucht, begegnet man fast immer wieder der selben, ignoranten, privilegierten Rhetorik. Meist weiße, heterosexuelle Männer haben eine relativ klare Meinung darüber, was diskriminierend ist und was nicht. Die Ironie: Zumindest wenn es um Minderheiten geht, zu denen weiße Männer in der Regel selten gehören, können wir das gar nicht. Es ist ein weißes, männliches Privileg, nicht mit Rassismus am eigenen Leib konfrontiert zu werden. Somit fehlt uns die Erfahrung, wie sich das anfühlt, für seine Hautfarbe / Geschlecht / Sexualität / Behinderung angegriffen zu werden. Daraus lässt sich schließen, dass Ich gar nicht erst die Kompetenz habe, zu bestimmen, ab wann etwas für eine Person verletzend wird. Hinzu kommt noch, dass unterschiedliche Menschen natürlich immer unterschiedlich auf beispielsweise Rassismus reagieren. Es liegt aber nicht in ihrem Aufgabenbereich, in dieser Hinsicht toleranter zu werden.
Hier ein persönliches Beispiel
Weil mein Vater Jude ist, wurde ich aus irgendeinem Grund auch immer für jüdisch gehalten. Ich fand Judenwitze auch lustig und habe oft welche mit Freunden ausgetauscht. Allerdings immer nur in Maßen und auch nicht alle. Und das war auch nur bei mir so. Das kann und wird bei anderen völlig unterschiedlich sein. Weder bedeutet es, dass der betroffene Jude dann keinen Humor hat, wenn er nicht über die Witze lacht, noch dass er nicht beleidigt sein darf. Die Faktoren, die entscheiden, ob ein Witz zum Knaller oder zur Blamage werden, wirst du nie nachvollziehen können. Daher ist es auch vollkommen irrelevant, wie ein Nicht-Betroffener, also Privilegierter, den Härtegrad der Beleidigung einschätzt, weil er es nicht beurteilen kann.
Ein Lichtblick zum Schluss
Auch wenn Deutschrap wie schon erwähnt sehr rückständig ist, gibt es eine kleine Gruppe an "Vorreitern", die modernen Rap produzieren. Und ja, die Frauen in dem Video sind alle schlank und haben etwas erotisch anmutende Schulmädchenkostüme an, aber vielleicht ist das auch gerade so von Edgar Wasser beabsichtigt.