In den nächsten zwei Wochen fallen wieder paarungsbereite Bierleichen zu Musik von Wolfgang Petry von der Bierbank. Die Wiesn beflügelt deutschsprachige Plemmplemm-Musiker immer wieder zu kreativen Tiefflügen. Das ist bekannt. Aber es gibt nicht nur einen, sondern, wie das auf der Wiesn eben so ist, gleich mehrere rote Fäden, die sich durchs musikalische Rahmenprogramm in den Festzelten ziehen. Egal, was da grade oléolét, plärrt und hummtatat, hinter allem scheint die Wiesn als riesenhaft enthemmte, bierbäuchige Meta-Autorin zu stecken. Wir versuchen, dem Geheimnis hinter dem Gegröle literaturwissenschaftlich auf die Schliche zu kommen. Das kann ja nur funktionieren, oder?

Buddy vs. DJ The Wave – Ab in den Süden

„Raus aus dem Regen ins Leben, ab in den Süden,

Der Sonne entgegen, was erleben, einen heben und dann Bikinis erleben.

Jetzt kommt es dick, Mann, ich rette den Tag:

Ich sage, ab geht die Party und die Party geht ab.“

Zahlreiche Binnenreime wie „entgegen, erleben, einen heben, Bikinis erleben“ drücken ein Gefühl der Unruhe und des Drängens aus: Ein Drängen nach Süden, dem goldenen Sonnenaufgang entgegen, der golden in den Krügen glitzert, beim Eintritt ins Zelt. Außerdem fühlen sich da gleich alle lyrischen Subjekte mit im Boot nach Süden, die sonst zusammen im Flieger nach Malle sitzen. Bezeichnenderweise ist der Zielreim in dieser Verszeile „Bikinis erleben“. Es handelt sich dabei um eine metonymische Verschiebung weg von Brüsten zu Bikinis, weil „mit Busen schmusen“ nicht ins Reimschema gepasst hätte. Wir machen mal weiter.

Grauzone – Eisbär

„Ich möchte ein Eisbär sein im kalten Polar.

Dann müßte ich nicht mehr schrei'n,

Alles wär' so klar.

Eisbär'n müssen nie weinen.

Eisbär'n müssen nie weinen.“

Hoch interessant! Das lyrische Ich wandert gedanklich zurück nach Norden, vermutlich, weil es zum Pissen muss. Es möchte ein Eisbär sein, im kalten Polar, alles wär so klar. Es ist vermutlich unterdessen also alles nicht mehr so klar. Das drückt sich auch im nicht ganz reinen Reim zwischen „schrei'n“ und „weinen“ aus. Es handelt sich dabei zugleich um einen umarmenden Reim, der eine leicht nachzuvollziehende gedankliche Brücke herstellt: Die Gefühle sind polarisiert zwischen Plärren und Rumgrölen, im kalten Polar, leider läuft es am Strophenende auf das „weinen“ hinaus, das zudem mehrmals wiederholt wird – schade eigentlich.

Wolfgang Petry – Wahnsinn

„Das ist Wahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle?

Eiskalt lässt du meine Seele erfrier'n.

Das ist Wahnsinn, du spielst mit meinen Gefühlen

Und mein Stolz liegt längst schon auf dem Müll.“

Interessanterweise überträgt sich die Polarität der Gefühle zwischen „schei'n“ und „weinen“ nun auf die Opposition warmer und kalter Gefilde, die sich bereits beobachten ließ. Poetischen Ausdruck findet dieses musikalische Wechselbad der Temperaturen im paradoxen Bild „in der Hölle zu erfrieren“, denn die Hölle ist doch immerhin heiß, also ehrlich, das ist doch Waaaaahnsinn! Und mein Stolz liegt längst schon auf dem Müll…!

„Aber scheiß drauf, Wiesn ist nur einmal im Jahr.“