Veraltete Paragraphen
Ein juristischer Gruß aus der Kaiserzeit
Heute Abend sendet Böhmi wieder. Trotz laufendem Verfahren. Wegen welchen antiquierten Paragraphen man sonst noch belangt werden kann, lest ihr hier.
Was könnte da jetzt passieren? fragte Jan Böhmermann in seiner Talkshow Neo Magazin Royale nachdem er sein satirische Gedicht „Schmähkritik“ rezitierte. Darin bezeichnete er den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan als Ziegenf… , nun ja, sagen wir mal er bezeichnet ihn als alles Mögliche. Immerhin in Reimform. Als Konsequenz sieht der Moderator sich nun mit einer Strafverfolgung konfrontiert. Ihm drohen dank eines Paragraphen aus dem Jahr 1871 bis zu fünf Jahre Haft.
Achtung: Diskreditiert man den deutschen Staatschef Joachim Gauck etwa als einen „Rostocker Rotzfrosch“, hat das erhebliche Konsequenzen. Nach §90 StGB kann nämlich auch einer Beledigung des Bundespräsidenten eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren folgen.
Nun zurück zu Böhmermanns rechtlicher Konfrontation mit der wilheminischen Kaiserzeit und der Frage: Welche veralteten Artikel finden sich denn eigentlich noch in deutschen Gesetzbüchern?
Heiratsvermittler habens schwer
Die Todesstrafe gibt es in Hessen auch noch im Jahr 2016. Zumindest formal, denn Bundesrecht bricht Landesrecht. Tatsächlich hat §21 in Hessens Verfassung also keine Konsequenzen, weil die deutsche Verfassung sie verbietet. Auf Bundesebene sind in §218 StGB Abtreibungen generell rechtswirdig. Die darauffolgende Passage §218a StGB ermöglicht dann aber die Straflosigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs. Beide Gesetze sind umstritten. Eine Abschaffung diskutieren Politiker schon lange.
Wie im Fall Böhmermann lösen oft aktuelle Ereignisse die Streichung eines Artikels aus. In Norwegen kann man sich seit einem Jahr legal über Religionen lustig machen. Nach der Attacke auf die Redaktion des Satire-Magazins Charlie Hebdo beendete das norwegische Parlament die Rechtssprechung nach dem entsprechenden Gesetz. Auch in Deutschland stellt die FDP §166 StGB, den sogenannten Blasphemieparagraphen zur Diskussion. Bis zu drei Jahren Haft drohen demnach bei Gotteslästerung.
Die Online-Partnerbörse ElitePartner könnte ähnlich wie Jan Böhmermann feststellen, dass fortgeschrittenes Alter im Rechtssystem nicht von Wirklosigkeit zeugt. Die Hamburger Kuppelseite wollte die Nutzungsgebühren einer ehemaligen Nutzerin einklagen. Erfolglos, denn nach §656 BGB dürfen seriöse Heiratsvermittler nun mal kein Entgelt für nicht erbrachte Leistungen verlangen. Das Gesetz entstammt dem fernen Jahr 1900.
Auch Relikte habe Folgen
Ein aktuelles Gutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigt, dass zu spät abgeschaffte Paragraphen auch ernst zu nehmende Folgen haben. Bis 1994 illegalisierte §175 StGB homosexuelle Männer. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Christiane Lüders beklagt, dass die mehr als 50.000 Opfer dadurch im Kernbestand ihrer Menschenwürde verletzt worden seien. Die Beseitigung des Gesetzes kam für sie zu spät. Maas will die Betroffenen nun rehabilitieren und entschädigen.
Auch dem Witzefreund Böhmermann droht eine Verurteilung. Ihm wird Majestätsbeleidigung vorgeworfen. Nach §103 StGB kann eine solche mit bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug bestraft werden.
Was ist nun also passiert, Jan Böhmermann? Du hast eine Strafverfolgung nach einem überholten Gesetz aus der Kaiserzeit an der Backe. Gleichzeitig soll dank dir besagter Paragraph abgeschafft werden. Für denn Fall einer tatsächlichen Verurteilung, käme für dich das dann wohl zu spät.