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Streik in Frankreich

EM ist, wenn der Zug nicht kommt

Autor(en): Nico Brix am Freitag, 10. Juni 2016
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Quelle: Par Ben Siesta — Travail personnel / Commons Wikimedia unter CC BY 3.0

Viele Franzosen streiken gegen das neue Arbeitsgesetz

Frankreich ist Gastgeber der Europameisterschaft. Gleichzeitig befindet man sich aber auch im Streik. Und das schon seit rund drei Monaten.

Wie sehr der Streik ein Land im Griff haben kann, zeigen manchmal auch Kleinigkeiten. Beispielsweise wenn einen Tag vor Turnierbeginn selbst der EM-Pokal Verspätung hat, weil er inmitten eines Warnstreiks per Bahn transportiert wird. So geschehen in Frankreich. Gestern hing die schwerbewachte Trophäe auf ihrem Weg nach Paris fest.

 

Besagte EM stellt für die Gewerkschaften jedoch keinen Grund dar, die Streiks ruhen zu lassen. Didier Porte von der Gewerkschaft Force Ouvrière erklärte gegenüber der ARD: "Nur weil die EM ist, werden wir doch nicht unsere Forderungen aufgeben." Obwohl die Warnstreiks erst seit gut zwei Wochen die tägliche Berichterstattung bestimmen, kann der Beginn des Konflikts schon viel früher ausgemacht werden.

 

Ein Versprechen Francois Hollandes mit Folgen

 

2012 wird Francois Hollande Präsident. Bei seiner Amtseinführung verspricht er der Bevölkerung Frankreichs die Arbeitslosigkeit von über 10% zu senken. Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit möchte er dieses Vorhaben noch realisieren. Es könnte sein letztes großes Reformprogramm werden. Geschehen soll dies vor allem durch eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.

 

Dabei klingt Flexibilisierung erst einmal gut. Flexibilisierung, das lässt einen sofort an Selbstbestimmung und Selbstorganisation denken. Doch in der Praxis könnte diese Flexibilisierung vor allem eines bedeuten: höhere Arbeitszeiten. Bis zu 60 Stunden pro Woche sind laut Gesetz unter „ungewöhnlichen Umständen“ möglich. Konkret könnte das also den Tod der 35-Stunden-Woche in Frankreich bedeuten. Außerdem sieht das Gesetz vor als Teil der Arbeitsmarktreform den Kündigungsschutz abzubauen.

 

Die Gewerkschaften fühlen sich übergangen

 

Doch nicht nur deswegen sind die Gemüter der französischen Gewerkschafter erregt. Sie sehen durch das neue Arbeitsgesetz ihre Macht beschnitten. Denn das Gesetz soll den Arbeitgebern ermöglichen in Arbeitsverträgen von Branchentarifverträgen abweichen zu können.

 

Doch die aktuellen Streiks bilden nur den Gipfel des Eisbergs

 

Im Moment hat der Protest seinen bisherigen Höhepunkt erreicht und ist vor allem durch die EM in den öffentlichen Fokus gerrückt. Davor war das Interesse der deutschen Öffentlichkeit an den Streiks in Frankreich überschaubar. Dabei wird bereits seit Anfang März in Frankreich protestiert. Die ersten Menschen gingen just in dem Moment auf die Straße als Arbeitsministerin Myriam El Khomri die Vorlage für das heutige Gesetz vorgestellt hatte. Der Impuls für den Protest gegen das sogenannte „El Khomri“ kam vor allem von linken Gruppierungen, Gewerkschaften, Schülern und Studenten. Heute wollen einer Umfrage zufolge rund 70% aller Franzosen, dass das Gesetz zurück genommen wird.

 

Eine Rücknahme scheint unwahrscheinlich

 

Premierminister Manuel Valls behauptete im Interview mit dem französischen Fernsehsender BFM TV, dass es keine Rücknahme geben wird. Er sagte:„ Ich denke, dass das Gesetz für die Bevölkerung gut ist; gut für die Unternehmen und gut für die Arbeitnehmer. Es kann die eine oder andere Veränderung geben, aber das Herzstück wird bleiben.“

Auch Sportminister Patrice Kanner fand deutliche Worte und verurteilte die Streiks während der EM: "Wer das Fest verdirbt, schadet dem Ansehen Frankreichs", behauptete er.

 

Doch die Gewerkschaften wollen sich keineswegs in die Rolle des Spielverderbers drängen lassen. Während die Politik die Gewerkschaften als alleinige Schuldige sieht, sehen die Gewerkschaften die Politik in der Pflicht. Zwei Haltungen, die nicht gerade zur Entspannung der Situation beitragen. Der Chef der einflussreichsten Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, stellte klar: "Wir werden die Menschen nicht daran hindern, Fußballspiele zu sehen, aber die Regierung muss bereit sein zu diskutieren. Alles liegt nun in ihren Händen."

 

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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