M94.5 Filmkritik
Es ist höchste ZEIT FÜR UTOPIEN
Klimawandel, wirtschaftliche Ausbeutung, ungerechte Vermögensverteilung - ein Dokumentarfilm begegnet all diesen Problemen.
Unsere Welt nachhaltig zu verbessern: Das ist das Ziel der vier Menschen und Projekte, die der Österreicher Kurt Langbein in seinem Dokumentarfilm „Zeit für Utopien“ vorstellt. Dafür reist der Regisseur um die ganze Welt - mit Stops in Südkorea, der Demokratischen Republik Kongo, Frankreich, Zürich und Österreich.
Moderne Utopien
Zu Beginn lernt der Zuschauer Petra Wähning kennen. Die Münchnerin möchte „nicht mehr Teil des Problems, sondern Teil der Lösung sein“. Ihre Idee ist simpel, aber genial. Um eine kleine bayerische Käserei vor dem Bankrott zu bewahren, hat Petra Wähning eine „Genussgemeinschaft“ gegründet. Alle Mitglieder unterstützen die Käserei finanziell und bekommen als Gegenleistung frische Produkte. Ein Nachteil bleibt jedoch: Die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe können keine ganzen Städte mit frischen Lebensmitteln versorgen. In Südkorea ist man da schon einen Schritt weiter. Hier beliefern regionale Betriebe unter dem Dachverband „Hansalim“ 1,5 Millionen Menschen. Von Lebensmitteln in Bio-Qualität bis zu Kosmetika ist alles erhältlich.
Vom Jutebeutel zum Fairphone
Als Kinobesucher kommt man gar nicht mehr aus dem Staunen heraus. Klar, von Jutebeutel, Einmachgläsern und verpackungsfreien Produkten haben auch wir hier in Deutschland schon gehört. Aber es gibt bereits Initiativen in viel größeren Dimensionen. Zum Beispiel entwickelt ein kleines Start-Up aus Amsterdam fair produzierte Smartphones. In einem regulären Handy sind über 50 Minerale vereint. Kobalt, Tantal, Gold - alle diese Rohstoffe werden vornehmlich in Afrika unter extrem gefährlichen Bedingungen abgebaut. Die Macher des Fairphones versuchen, die komplexen Lieferketten der Handy-Einzelteile aufzubrechen und nur zertifizierte Metalle zu verarbeiten. Der Regisseur Kurt Langbein zeigt gekonnt, dass es schon längst viele kleine Einzelinitiativen gibt. Aber er macht dem Zuschauer eben auch klar, was noch fehlt: Eine gemeinsame Utopie.
Nachteile? Nein, danke!
Der Zuschauer erkennt schon nach wenigen Minuten, dass der Regisseur sich viel Zeit genommen hat, um die einzelnen Projekte vorzustellen. Die Protagonisten der Initiativen kommen ausführlich zu Wort und der Kinogänger geht zum Schluss nicht völlig überfordert aus dem Kino. Kurt Langbein hat wirklich sein Herzblut in die eineinhalb Stunden eingebracht. Er schafft es mit Leichtigkeit, den Zuschauer durch imposante Aufnahmen und fein gewählte Kameraeinstellungen in seinen Bann zu ziehen. Leider lässt Langbein dadurch die negativen Seiten ein wenig unter den Tisch fallen. Es werden keinerlei Nachteile oder Hürden präsentiert. Zum Beispiel wird nicht erwähnt, wie viel ein Fairphone eigentlich kostet und ob es reale Chancen hat, sich auf dem Weltmarkt gegen gängige Smartphones zu behaupten. Wenn man aber über diese Schwächen hinweg blickt, zeigt Kurt Langbein dem Zuschauer Perspektiven für eine nachhaltigere Zukunft. So wie jetzt könne es jedenfalls nicht weitergehen, denn „wir tun gerade so, als gäbe es nur eine Welt. Das ist so, als würde man wissen, man fährt gegen eine Wand und keiner erforscht den Bremsweg“, sagt Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann in „Zeit für Utopien“.
„Zeit für Utopien“ läuft ab dem 19. April 2018 in den deutschen Kinos.