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Gläsernes Gold

Autor(en): Katharina Hager am Donnerstag, 28. Juli 2011
Arme Leute, die ihren Einkaufswagen vor sich herschieben, vollgepackt mit Pfandflaschen. Gutes Geld um sich ein Zubrot zu verdienen - für manche sogar lebensnotwendig.

Arme Leute, die ihren Einkaufswagen vor sich herschieben, vollgepackt mit Pfandflaschen. Gutes Geld um sich ein Zubrot zu verdienen - für manche sogar lebensnotwendig. Die Gegenseite dazu: Studenten-WGs, die leere Bierflaschen förmlich horten, weil sie niemand zum Container bringen will. Ein Berliner Student hat sich eine Lösung für diese Umverteilung einfallen lassen, sie nennt sich pfandgeben.de, eine Internetseite, die Pfandflaschenbesitzer und Pfandflaschenbedürftige zusammenbringen soll... zumindest für finanziell benachteiligte Menschen.

Pfandflaschen sind teilweise ein notwendiger Verdienst für Obdachlose oder Hartz IV Empfänger. Jonas Kakoschke, ein 27jähriger Kommunikationsdesignstudent aus Berlin, hatte die Idee Flaschenbesitzer und Flaschensammler zusammenzubringen. Das ganze soll über die Internetseite pfandgeben.de geschehen.

Hilfreiche Nächstenliebe oder gratis Müllabfuhr?

Wie manche von uns aus dem WG Alltag wissen, stapeln sich die Bierflaschen nach mehreren Partys ins unermessliche. Doch niemand sieht sich dazu berufen den „Müll“ aufzuräumen. Da scheint pfandgeben.de wohl die perfekte Alternative zu sein. Aber hat das noch etwas mit Hilfsbereitschaft zu tun oder dient es eher einem kostenlosen Müllabfuhrservice? Veronika [Name von der Redaktion geändert] ist selbst Pfandsammlerin: „Ich nehm' ja letztlich das Glas mit und bring's zum Container. Eigentlich ist das ja so, dass man das jemandem schenkt, der kann das Geld halt brauchen.“ Fleißige Flaschensammler bekommen auch ihre Belohnung: „Ich hab die Woche schon 40€ verdient“ erzählt mir Veronika voller Euphorie.

Keine Faulheit sondern eine Win-Win-Situation

Die Erfinder argumentieren auf der Homepage mit „gegenseitigem Profit“. Immerhin wird der Pfandflaschenabholer quasi fürs Abholen bezahlt, wenn der Pfand schlussendlich ihm gehört. „Natürlich ist das eine bequemere Sache“ findet Veronika, „aber die tun das ja auch für Leute denen es einfach nicht so gut geht“.

Nicht nur Privatpersonen nutzen dieses Service, sondern auch Unternehmen. Veronika bekommt oft Aufträge von Unternehmen, die bis zu 100 Pfandflaschen hergeben. Jeder Pfandflaschenbesitzer und jeder Pfandflaschensammler kann seine Telefonnummer auf der Internetseite veröffentlichen. Somit können die Personen miteinander in Kontakt treten und jeder zieht einen Vorteil aus der Aktion.

Datenschutzrichtlinien und Nutzungsbestimmungen?

Jeder kann sich nach Lust und Laune an- und abmelden, ohne irgendwelchen AGBs und Richtlinien zustimmen zu müssen. Deshalb ist hier fragwürdig, inwieweit Datenschutz wirklich gegeben ist. Immerhin entsteht durch diese Vorgehensweise eine Gefährdung der Privatsphäre. Man weiß nicht immer, wer am anderen Ende der Telefonleitung spricht. Veronika sieht das alles halb so schlimm, geht aber trotzdem auf Nummer sicher: „Ich fahr auch meistens zu zweit da hin um die Flaschen abzuholen“. Das Thema Datenschutz, vor allem in unserer heutigen Internetgesellschaft, ist damit aber noch nicht abgehakt. Die ganze Welt kann schließlich auf veröffentlichte Telefonnummern oder dergleichen zugreifen. „Mit Telefonnummern kann Missbrauch betrieben werden, beispielsweise mit Anrufen bezüglich Direktmarketing. Das muss man abwägen bevor man einem wildfremden Menschen seine Nummer gibt“, sagte Alexander Dix, Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, im M94.5-Interview. Grundsätzlich muss man als Anbieter, egal für welchen Dienst, immer angeben, wie die Daten verwendet werden, die für eine Teilnahme notwendig sind.

Noch steckt das Vorhaben in den Kinderschuhen, aber solange es den Sammler und den Geber freut und die Finanzen dabei nicht zu kurz kommen, wird sich pfandgeben.de vielleicht noch etablieren können. Ist schließlich für 'nen guten Zweck... Oder?

Platte des Monats

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