ÖPNV
Kostenlos durch Essen oder Bonn
Viele deutsche Städte halten Schadstoff-Grenzwerte nicht ein. Die Bundesregierung erwägt nun kostenlosen ÖPNV.
Der Bund erwägt zusammen mit Ländern und Kommunen einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, um die Zahl privater Fahrzeuge zu verringern. Das geht aus einem Brief von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella hervor. Das Schreiben lag der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag vor. Zuerst hatte das Magazin «Politico» darüber berichtet.
Pilotprojekt mit enormen Kosten
Bislang gibt es in Deutschland nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) keinen kostenlosen Nahverkehr. Der Vorschlag zum ÖPNV könnte bedeuten, dass der Bund Länder und Kommunen finanziell dabei unterstützt, wenn diese einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr einführen wollen. Mit rund zwölf Milliarden Euro jährlich finanzierten sich die Verkehrsbetriebe etwa zur Hälfte aus dem Ticketverkauf. "Das müsste am Ende der Steuerzahler finanzieren", sagte eine VDV-Sprecherin. Weitere Milliarden wären nötig für neue Busse, Bahnen und Personal. Denn: "Wir hätten bei einem kostenlosen Angebot einen enormen Fahrgastzuwachs."
Fünf "Modellstädte"
Von den beteiligten Ministerien gab es zunächst keine Stellungnahme. Die Bundesregierung stellt in dem Brief an die EU-Kommission aber auch noch andere Maßnahmen vor. So verweist sie auf das bereits auf den Weg gebrachte Milliarden-Programm für bessere Luft in Städten. Außerdem sollen "bei Bedarf" Städte darin unterstützt werden, wirksame Verkehrsregeln auf den Weg zu bringen, um die von Autos verursachte Umweltverschmutzung zu reduzieren. Für den Schwerlastverkehr solle es "Niedrigemissionszonen" geben. Die Wirksamkeit von Maßnahmen für eine bessere Luft solle in fünf "Modellstädten" getestet werden - und zwar in Bonn, Essen, Herrenberg (Baden-Württemberg), Reutlingen und Mannheim.
Der Koalitionsvertrag von Union und SPD
Der Kampf gegen Luftverschmutzung habe "höchste Priorität" für Deutschland, heißt es in dem Schreiben. Im Koalitionsvertrag zu einer möglichen neuen Bundesregierung hatten Union und SPD vereinbart, gemeinsam mit Ländern und Kommunen die Anstrengungen für eine Verbesserung der Luftqualität vor allem in besonders belasteten Städten erheblich zu verstärken. So soll der Umstieg von Fahrzeug-Fuhrparks auf emissionsarme Antriebe vorangetrieben werden. Außerdem soll laut Koalitionsvertrag die Verlagerung des Pendlerverkehrs auf die Schiene gefördert werden.
Klage der EU-Kommission
Die EU-Kommission hält die bisherigen Maßnahmen Deutschlands für unzureichend, um Grenzwerte für Stickoxide einzuhalten. Die Kommission will im März über eine mögliche Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wegen zu hoher Luftverschmutzung gegen Deutschland und acht weitere Staaten befinden, hatte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde mitgeteilt. Verlöre Deutschland einen solchen Rechtsstreit, würden letztlich hohe Strafgelder drohen.
Quelle: dpa