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Filmkritik: Me And Earl

And The Dying Girl

Quelle: © 20TH CENTURY FOX

The Dying Girl, Greg und Earl.

"Das Schicksal ist ein mieser Verräter" ist dagegen ein Witz: Ein Teenie-Krebs-Film ganz ohne Klischees. So was gibt's?

Auf viele Kinogänger über 17 Jahren wird diese Inhaltszusammenfassung erst einmal abschreckend wirken: Teenager Rachel hat Krebs und Greg soll ihr helfen, ihren Lebensmut zu bewahren. Das schreit nach Melodrama und ist nach diversen John-Green-Verfilmungen sowieso überflüssig. Laufen nicht schon genug tragische Survival-Stories über die Leinwand? Brauchen wir wirklich noch einen Film über Krebs an der High School?

Die Antwort lautet: Ja. Wenn sie so aussehen wie dieser Film, dann unbedingt. Denn "Me And Earl And The Dying Girl" trägt nicht nur einen denkbar umständlichen Titel, er stellt sich auch gegen viele weitere Konventionen des Genres und erzählt eine Geschichte, die - Achtung, Schmalz - ganz ehrlich ans Herz geht. Und ganz nebenbei ist er auch noch eine Liebeserklärung an die großen Klassiker der Filmgeschichte.

Halb Ferris Bueller, halb Scorsese

Dieser Film ist keine Liebesgeschichte. Am Anfang ist er nicht einmal eine Freundschaftsgeschichte. Greg (Thomas Mann) kennt die kranke Rachel (Olivia Cooke) nämlich kaum und setzt sich nur deshalb mit ihr auseinander, weil seine Mutter ihn dazu zwingt - ein solider Grundstein für eine bedeutsame, emotional erfüllte Beziehung also. Greg ist die Sorte Mensch, die sich jede Clique an der Schule warmhält und möglichst oberflächliche Beziehungen führt, um ja nicht aufzufallen. Damit steht er aber auch ziemlich alleine da. Selbst seinen besten Freund Earl (RJ Cyler) bezeichnet er nur als "Mitarbeiter". Zusammen mit ihm dreht er in seiner Freizeit Filme; und was für welche.

Die erste Hälfte dieser Geschichte vergeht wie im Flug, wenn man den beiden dabei zusieht, wie sie die Großen und Berühmten der Filmgeschichte parodieren: "A Sockwork Orange", "400 Bros", "Senior Citizen Cane", "Eyes Wide Butt", "Pooping Tom". Die Liste ist endlos, und alleine für diese verspielten Mini-Movies würde sich der Kinobesuch für jeden Filmliebhaber lohnen. Aber diese liebevollen kleinen Hommagen sind bei Weitem nicht der einzige Kunstgriff von Regisseur Alfonso Gomez-Rejon. Denn es gibt ja schließlich auch noch eine Handlung.

Ist Freundschaft die beste Therapie?

Greg muss sich also mit Rachels Leukämie beschäftigen. Dass sich daraus mehr als nur ein paar erzwungene Hallos entwickeln, sieht man schon dem Trailer an. Aber "Me And Earl And The Dying Girl" stellt sich gegen die gängigen Stereotype im "Young Adults"-Genre - und belässt zwischen den beiden alles rein platonisch. Keine Romanze, keine aufgedrückte Chemie. Das ist erfrischend, frei von Kitsch und überraschend aufrichtig. Die Freundschaft zwischen den beiden bildet den Kern der Geschichte und darf sich ohne zu viele Collagen in einem Tempo entwickeln, das sowohl den Figuren als auch dem Zuschauer genug Zeit gibt, um mitzufühlen. Anstatt ins Rührselige abzudriften, liefert Rejon etwas Ehrliches und Unterhaltsames. Und schließlich kann man sich in Sicherheit wiegen, denn das sterbende Mädchen aus dem Titel wird am Ende ohnehin überleben. Oder?

Olivia Cookes Rachel ist perfekt ausbalanciert: Sie ist weder überemotional noch zu stoisch, sondern trifft genau den Punkt, der weh tut. Wer den Zuschauer aber wirklich in die Story zieht, ist Thomas Mann. Gregs diverse charmante Eigenarten machen den Film zu dem, was er ist. Seine Figur erfährt eine glaubhafte Entwicklung vom distanzierten Einzelgänger zum aufrichtigen Freund und Filmemacher, der sogar mal über seine Gefühle sprechen kann. Sein selbstironisches Voice-Over, die vielen Pop-Culture-Anspielungen, ungewöhnliche Kameraeinstellungen, Animationen und lustige Kapitelüberschriften könnten in ihrer Masse sehr leicht anstrengend werden - sind sie aber nicht. Stattdessen machen sie den Film bunt und originell. Und das funktioniert.

"The Part Where I Panic Out Of Sheer Awkwardness." © 20TH CENTURY FOX
"The Part Where I Panic Out Of Sheer Awkwardness." © 20TH CENTURY FOX

Das Schicksal ist kein mieser Verräter

Preise hat "Me And Earl And The Dying Girl" schon einige gewonnen, und das Prädikat "besonders wertvoll" gab es auch schon. Es wäre nicht überraschend, wenn der Film auch noch eine Auszeichnung fürs Jonglieren gewinnen würde: Denn er löst wie kaum ein anderer zuvor die schier unmögliche Aufgabe, Klugscheißer-Humor, High-School-Satire, aufrichtige Freundschaft, große Emotionen und Liebe für Film in hundert Minuten zu vereinen. Und das, ohne dass etwas runterfällt - oder aufgesetzt wirkt. Dieser Film ist keine Schnulze, und er ist auch nicht darauf ausgelegt, jeden unbedingt zum Weinen zu bringen. Aber wer sich darauf einlässt, der darf Heulen und Lachen, ganz von allein.

"Me And Earl And The Dying Girl" ("Ich Und Earl Und Das Mädchen") läuft ab dem 19. November 2015 in den deutschen Kinos.

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