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Ausweitung der Literarischen Zone

Autor(en): Lila Schulz am Donnerstag, 14. April 2011
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Die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn. Für die einen ist er ein moderner Camus, ein literarisches Genie. Die anderen beschimpfen ihn als blasierten Rassisten. Kaum ein Autor spaltet die Leser so sehr wie der Franzose Michel Houellebecq. Ein Blick auf einen der umstrittensten und erfolgreichsten Schriftsteller der Gegenwart. 

Der fleißige Michel Houellebecq

Michel Houellebecq schreibt: Romane, Gedichte, Essays, Briefe – das Repertoire scheint unerschöpflich. Seitdem dem diplomierten Agraringenieur mit seinem Debütroman „Ausweitung der Kampfzone“ 1994 der Durchbruch als Autor gelang, sind viele weitere Veröffentlichungen gefolgt. Da wären seine Bestseller-Romane „Elementarteilchen“, „Platform“ und „Die Möglichkeit einer Insel“. Die Erzählung „Lanzarote“ oder die Lyrikbände „Wiedergeburt“, „Der Sinn des Kampfes“ und „Suche nach Glück“. 2002 erschein sein Essay über den amerikanischen Autor H.P. Lovecraft, „Gegen die Welt, gegen das Leben“. Absolut lesenswert ist auch der unterhaltsame und zugleich kritisch-nachdenkliche Briefwechsel mit dem Philosophen Bernard-Henri Lévy unter dem Titel „Volksfeinde“.

Lebendig bleiben

Kaum bekannt, meines Erachtens aber sein literarisch wertvollstes Werk, ist „Rester Vivant – Lebendig Bleiben“, ein Manifest über die poetische Existenz. Es ist eine durch und durch schöpferische Auseinandersetzung mit den Verletzungen, die uns das Leben beschert. Nicht enden wollende Verletzungen, aus denen schließlich die Literatur entsteht. „Das Leben ist eine Serie von nicht zerstörungsfreien Tests. Im Leben scheitern, aber knapp scheitern. Und leiden, immer leiden. Sie müssen lernen, den Schmerz mit jeder einzelnen Pore zu empfinden.“ Selten habe ich beim Lesen tragischer Zeilen so viel Begeisterung empfunden. Tiefe Freude über die absolute Schönheit der Wortwahl. Ehrliche Bewunderung für die schonungslose, aber in ihrer Härte so zutreffende Darlegung der Realität.

L'Enfant Terrible?

Michel Houellebecq schreibt. Das Reden hingegen scheint im bisweilen ganz und gar zuwider. Dann sitzt er bei Interviews – immer eine glimmende Zigarette zwischen Mittel- und Ringfinger geklemmt – lange schweigend da, nuschelt von Zeit zu Zeit ein paar wohlüberlegte Worte. Er ist stets nachdenklich und redet niemals impulsiv darauf los. Houellebecq bezeichnet sich selbst als Misanthrop. Ein Exzentriker und Außenseiter, der nicht in das bunte, laute Treiben der Massen passt. Zu einem gewissen Grad lehnt Houellebecq die menschliche Gesellschaft (vor allem die westliche) sogar gänzlich ab, verachtet sie. Sein einziger wirklicher Freund ist womöglich sein Hund Clément, den er bisweilen selbst zu seinen Lesungen mitnimmt.

Ein grandios böser Erzähler

Michel Houellebecq schreibt. Ob er dies tut, um zu leben oder ob er lebt, um zu schreiben – es ist nicht klar auszumachen. Feststeht: Er beherrscht das Schreiben wie kaum ein anderer. Houellebecq verfügt über die seltene Fähigkeit, die Welt mit einer überdurchschnittlich hohen Sensibilität wahrzunehmen. Anschließend seziert es diese äußerst präzise und ohne Rücksicht auf Verluste. Er ist ein poetischer Chirurg. Immer schneidend. Einschneidend, aushöhlend, offenlegend. Er operiert äußerst aufmerksam und detailliert, stets getrieben von einer gewissen Wut und Verachtung. „Political Correctness“ ist für ihn ein Fremdwort, die Existenz eines Happyends unvorstellbar.

Die Metamorphose

Michel Houellebecq, der gerne alle Spekulationen ins Leere laufen lässt, hat nun seinen neuesten Roman herausgebracht. „Karte und Gebiet“ ist im März auch in deutscher Übersetzung bei Dumont erschienen. Darin entdeckt der Enfant Terrible die Zwischentöne und – man mag es kaum glauben –tatsächlich auch den Humor. So lässt er gleich zu Beginn des Romans, den Schriftsteller Houellebecq und dessen Hund Platon auf bestialische Weise ermorden und zerstückeln. „Karte und Gebiet“ wird selbst von den Kritikern als literarische Sensation gefeiert. Und so ist es kaum verwunderlich, dass Houellebecq für seinen neuesten literarischen Streich nun auch endlich mit dem (ihm so lange Jahre verwehrten) Prix Goncourt ausgezeichnet worden ist. Er hat ihn sich verdient.

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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