Home > Kultur > „Geächtet“ im Residenztheater
Theaterkritik

„Geächtet“ im Residenztheater

Autor(en): Johanna Sagmeister am Samstag, 10. Dezember 2016
Tags: , , ,
Quelle: © Matthias Horn

Szene aus "Geächtet"

Einen "Kampf der Kulturen" kann man derzeit auf der Bühne im Residenztheater erleben: "Geächtet" eine klassische Konversationskomödie.

New York, Upper East Side. Amir Kapoor ist der Sohn pakistanischer Einwanderer und lebt den amerikanischen Traum! Er ist erfolgreicher Anwalt, verheiratet mit einer intelligenten und gut aussehenden weißen Amerikanerin, trägt teure Klamotten und genießt den Ausblick auf die Skyline New Yorks mit einem Glas Scotch in der Hand.

Verstecken der eigenen Identität

Amir Kapoor heißt eigentlich Amir Adullah. Doch spätestens seit 9/11 sah er seinen Nachnamen und seine damit verbundene Herkunft als Nachteil. Er distanziert sich von seiner Herkunft, allem vorab vom Islam. Seine Frau Emily hingegen ist Künstlerin und fasziniert von der islamischen Kultur. Sie schwärmt von ihren kulturellen Errungenschaften in den frühen Jahrhunderten ihrer Entstehung und zieht daraus die Quelle ihrer künstlerischen Inspiration.

Und dann gibt es noch Issac und seine Frau Jory. Die selbstbewusste Afroamerikanerin arbeitet in der gleichen jüdischen Anwaltskanzlei wie Amir, Issac ist ein jüdischer Galerist. Eigentlich war ein netter Abend geplant, an dem sich die beiden Paare der New Yorker Oberschicht zum gemeinsam Abendessen treffen. Doch der entwickelt sich bereits nach kurzer Zeit zum Kampf der Kulturen.

Das Politische im Theater

Ayad Akhtar konzipiert „Geächtet“ als klassische Konversationskomödie mit tragischer Wendung. Zu Beginn scheint es, als spiele die kulturelle Herkunft bei den so ungleichen Paarkonstellationen keine Rolle. Sie sind verheiratet oder Kollegen, teilen dieselben Interessen wie Kunst oder Recht, unterhalten sich über ihre alltäglichen Probleme. Unaufgeregt aber amüsant vollziehen sich die anfänglichen Konversationen auf der Bühne.

Zu Beginn sind die Diskussionen über den Islam noch zivilisiert und voller Respekt, doch während des Abendessens und mit zunehmendem Alkoholkonsum kippt die Stimmung. Die Toleranz untereinander verschwindet und die vorher noch intellektuelle und weltoffene Diskussion über religiöse Traditionen kippt in einen Streit voll wüster Beschimpfungen. Der Fokus liegt auf der Verwandlung Amirs. Der sieht in Issac nur noch einen Juden, in Jory eine Schwarze, die ihm seinen Job weggenommen hat.

Es ist nicht nur ein Kampf der Kulturen gegen Vorurteile, sondern auch der Kampf Amirs mit seiner eigenen Identität. Denn sein Weg der Integration in die amerikanische Gesellschaft war Assimilation. Indem er seine pakistanische Herkunft vor Freunden und Kollegen verheimlichte und seinen Namen änderte, kehrte er sich von seinen eigenen Wurzeln und dem Islam ab. Amir wappnet sich gegen die Islamophobie mit einem Schutzschild aus Coolness und Lässigkeit, das während des Abends Stück für Stück durchbrochen wird und sein Leben in Trümmern hinterlässt.

Fazit

„Geächtet“ nimmt zwar erst spät Fahrt auf, endet dann aber mit einem umso größeren Knall. Ayad Akhat zeichnet die Persönlichkeiten der Figuren sehr typenhaft und bringt dadurch viele Klischees unter – Was sein Stück an einigen Stellen in eine kleinen Soap-Opera verwandelt. Trotz der boulevardesken Einschläge behandelt „Geächtet“ aktuelle und brisante Fragen. Es porträtiert das liberale Bürgertum im Umgang mit dem Islam und verdeutlicht, wie schnell sich unser sozialer Frieden in Wut und Hass umwandeln kann.

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

mehr
M94.5 präsentiert
Donnerstag, 18. Oktober, 18 Uhr
M218 LMU Hauptgebäude
 
Munich Rocks!
Donnerstag, 18. Oktober 2018
 
Freitag, Samstag: 19./20. Oktober
 
Neuhauser Musiknacht
Samstag, 27. Oktober 2018
M94.5 Bühne @ Freiheizhalle

 

mehr
M94.5 auf Youtube

Der M94.5-Newsletter
Du willst regelmäßig News von M94.5? Dann musst nur deine E-Mail-Adresse angeben! Keine Angst, wir spamen deinen Posteingang auch nicht voll.
 
 
Die afk Familie