Home > Kultur > „Ich wäre gerne ein Hummer“
Filmkritik

„Ich wäre gerne ein Hummer“

Autor(en): Janina Rohleder am Mittwoch, 22. Juni 2016
Tags: , , , , ,
Quelle: © Sony/Park Circus

In "The Lobster" schauen Single-Männer alle ein bisschen bedröppelt.

Der Film „The Lobster“ mit Colin Farrell kommt komisch-skurril daher - und trifft gleichzeitig einen Nerv unserer Zeit.

In einer nahen Zukunft gibt es keine Singles mehr. Zumindest sollte es sie nicht mehr geben, denn die oberste Regel in dieser Gesellschaft lautet: Habe einen Partner oder habe ein Problem. Allein sein wird nicht geduldet, nur wer einen gültigen Ehevertrag vorweisen kann, darf in der Stadt leben.  Menschen, die wie David (Colin Farrell) verlassen wurden, werden in ein außerhalb gelegenes Hotel gebracht, wo sie 45 Tage Zeit haben, um sich einen neuen Lebensgefährten zu suchen. Scheitern sie, werden sie in ein Tier verwandelt und im nahen Wald ausgesetzt.

Welches Tier David in dem Fall werden möchte, weiß er schon: ein Hummer. „Weil sie hundert Jahre alt werden und bis zum Ende fruchtbar sind“. „Eine exzellente Wahl“, befindet die Direktorin (Olivia Colman) des Hotels, das zwar äußerlich wie ein Ort zum Übernachten und Entspannen aussieht, mit Whirlpool, Golfanlagen und Zimmermädchen, im Kern aber mehr einer Anstalt für Erwachsene gleicht, einem Experimentierlabor, in dem Menschen unter strenger Aufsicht wie Tiere zusammengeworfen werden, in der Hoffnung, dass sie sich paaren.

Gleichgeschaltete Paare...

Der Aufenthalt läuft nach einem strengen Zeitplan ab, an den man sich zu halten hat. Aufstehen, Frühstücken, sich von einem Zimmermädchen auf seine Erektionsfähigkeit testen lassen, Tanzball als Möglichkeit, eine Frau kennenzulernen, Ausflug in den Wald, um ausgebüchste Singles mit einem Betäubungsgewehr kampfunfähig zu machen und zurück ins Hotel zu bringen. Dafür gibt es einen Extra-Tag.

Die perfekte Partnerin kann man im Übrigen daran erkennen, dass sie Ähnlichkeiten mit einem selbst aufweist. Um Charaktereigenschaften geht es hierbei jedoch nicht, äußerliche Merkmale reichen. Beide haben einen Gehfehler und hinken? Perfekt. Beiden blutet unvorhergesehen die Nase? It's a match! Dass das Nasenbluten des Mannes künstlich durch ein schmerzhaftes Kopf-gegen-die-Wand-Schlagen hervorgerufen wurde, weiß die Frau ja nicht. „Lieber ein paar Mal die Schmerzen ertragen, als ein Leben lang ein Tier zu sein.“ Regisseur Yorgos Lanthimos nimmt hier gnadenlos eine Gesellschaft aufs Korn, die nicht alleine sein und den Seelenverwandten finden will, bei der Partnersuche dann aber auf Datingportale und Apps wie Tinder zurückgreift, die über Äußerlichkeiten und nichtssagende Persönlichkeitsangaben funktionieren.

… und rebellische Singles

Natürlich macht nicht jeder das absurde Spiel mit, das in der Single-Anstalt getrieben wird. (Es gibt etwa eine wunderbare Szene, in der drei Hotelangestellte den versammelten Gästen mit übertriebenem Ernst und herrlich überzogen zeigen, wie viel sicherer und besser das Leben als Paar ist.) Auch David flieht nach 44 Tagen in den nahegelegenen Wald und kommt bei den Einzelgängern unter, einer Widerstandsgruppe, deren Anführerin, der „Loner Leader“ (Léa Seydoux), streng darauf achtet, dass sich Männer und Frauen nicht berühren, geschweige denn ineinander verlieben. Wer doch nicht an sich halten kann und beim Küssen oder Schlimmerem erwischt wird, bekommt zur Strafe den Mund oder Schlimmeres zerschnitten.

Natürlich trifft David hier auf seine, wie er glaubt, große Liebe, eine kurzsichtige Frau (Rachel Weisz). Die Zeichen stehen gut, schließlich ist sie genauso kurzsichtig wie er. Ob sie eine Zukunft haben, in dieser Welt, die Lanthimos so wunderbar düster, ironisch und einem Endzeitfilm ähnlich erschafft, ist ungewiss. Das Ende aber, das hier natürlich nicht verraten wird, ist ein genialer Abschluss dieser amüsant-skurrilen Science-Fiction-Komödie, die mit Witz, Intelligenz und großartigen Schauspielern aufwartet. Nicht umsonst hat der Film in Cannes den Preis der Jury bekommen. Also, ab ins Kino!

The Lobster läuft ab dem 24. Juni 2016 in den deutschen Kinos.

Bildergalerie
Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

mehr
M94.5 präsentiert
Donnerstag, 18. Oktober, 18 Uhr
M218 LMU Hauptgebäude
 
Munich Rocks!
Donnerstag, 18. Oktober 2018
 
Freitag, Samstag: 19./20. Oktober
 
Neuhauser Musiknacht
Samstag, 27. Oktober 2018
M94.5 Bühne @ Freiheizhalle

 

mehr
M94.5 auf Youtube

Der M94.5-Newsletter
Du willst regelmäßig News von M94.5? Dann musst nur deine E-Mail-Adresse angeben! Keine Angst, wir spamen deinen Posteingang auch nicht voll.
 
 
Die afk Familie