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Clap your Fett!

Autor(en): Vero Bock am Mittwoch, 15. Mai 2013
Quelle: Neue Visionen Filmverleih

Ulrich Seidls Trilogie endet fast schon versöhnlich mit Paradies: Hoffnung Ulrich Seidls Trilogie endet fast schon versöhnlich mit Paradies: Hoffnung

Melli ist zu dick. Während ihre Mama in Kenia Urlaub macht, muss sie deswegen über die Sommerferien ins Diätcamp, um die Hegemonie über den eigenen Körper wiederzuerlangen. "Disziplin ist das um und auf!", brüllt der Spieß und lässt die Teenies auf dem Gang Spalier stehen. Wie alle 13-Jährigen setzen Melli (Melanie Lenz) und ihre neuen Freundinnen sich selbstverständlich über sämtliche Regeln hinweg und fangen nachts an zu rauchen, zu naschen und zu schnapseln. Da ist natürlich auch die Liebe nicht weit. In Mellis Fall ist das Objekt der Begierde der Campleiter und -arzt mit den strahlend blauen Augen (Joseph Lorenz), 40 Jahre älter als sie und gar nicht angetan von der jugendlichen Schwärmerei. Was ihn aber nicht von ein paar unschuldige Doktorspielchen abhält.

Lolita, Alter: 13; Gewicht: 85 kg

Ulrich Seidl und Co-Autorin Veronika Franz haben sich bei Paradies: Hoffnung bewusst an Nabokovs Lolita orientiert - aber mit zwei gravierenden Unterschieden: Wir sehen die unmögliche Liebelei aus der Perspektive des Mädchens, das auch noch dem Schönheitsideal widerspricht. Sie darf den Arzt nicht lieben und findet den Grund dafür kiloweise auf den eigenen Hüften sitzend.
"Am Anfang hatte ich nur Angst vor Joseph Lorenz, weil er so einen finsteren Blick hatte und so eigenartig war", sagt Hauptdarstellerin Melanie Lenz, die in einem anderthalbjährigen Casting-Marathon von Ulrich Seidl entdeckt wurde und selbst über einschlägige Diätcamp-Erfahrungen verfügt.
Die schwierigste Szene war für die damals 13-Jährige nach eigenen Angaben der heimliche Disco-Abend, wo sie sich von der Dorfjugend abfüllen lässt - und nicht etwa der Teil, in dem sie bewusstlos im Wald liegt und der Arzt sie von Kopf bis Fuß beschnuppert.

Die urgrindige Poesie der Distanz

Ulrich Seidl kombiniert auch in seiner Trilogie eine theatrale Bildkomposition mit beinharter Realität. Er inszeniert seine Figuren und Häuser wie mächtige, barocke Tableaus, um uns die ganze Bandbreite ihres Scheiterns vor Augen zu führen. Gleichzeitig wirkt der Film so, als wäre auf künstliche Beleuchtung verzichtet und der Ton mit dem eingebauten Kameramikrofon aufgezeichnet worden. Die Schauspielerinnen schminken selbst und benützen auch ihr eigenes Vokabular, was zu wunderbaren Sätzen führt: "Du tust Deinen Freund blasen? Ich könnt das nicht, ich find das urgrindig".

Drei Frauen und das Paradies

Paradies war ursprünglich als Spielfilm, nicht als Trilogie gedacht. Drei Frauen im Sommerurlaub, die auf ihre Art vom Paradies träumen: Mutter Teresa (Margarethe Tiesel) wird zur Sugar Mama in Kenia, Tante Anna Maria (Maria Hofstätter) nutzt die Zeit, um mit der Wandermuttergottes durch die Untiefen Wiens zu ziehen und Tochter Melanie wird im Bootcamp, Entschuldigung: Diätcamp ein Stück erwachsener. Schnittstellen gibt es wenige, die sind aber dafür sehr eindringlich. Wer sich zum Bespiel im Mutter-Film Liebe gewundert hat, warum Tochter Melanie nicht anruft und der verzweifelnden Mama zum Geburtstag gratuliert, der sieht in Hoffnung, dass Melli gerade heulend an ihrer ersten Liebe scheitert.

Das Ende des Filmes, und somit der Trilogie, macht uns Hoffnung auf die Chance, dass alles irgendwann besser wird.
Melanie Lenz macht übrigens mittlerweile eine Lehre als Einzelhandelskauffrau (Textilabteilung) und Ulrich Seidl dreht gerade einen Film über den österreichischen Keller.



Kinostart: 16.5.13
Interview-Quellen: Stadtkino Filmverleih Wien

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