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Filmkritik

Dänische Transgender-Pionierin

Quelle: © Universal Pictures

Eddie Redmayne als Lili Elbe

Auf der Suche nach der eigenen Identität: Everybody’s Darling Eddie Redmayne jetzt als “Danish Girl” auf DVD.

Sie gilt als erste Transgender-Frau, die sich im Jahre 1930 einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen hat: die dänische Malerin Lili Elbe. In “The Danish Girl” wird ihre Geschichte erzählt – und die ihrer Ehefrau Gerda.

Einar, Lili und Gerda

Langsam verfolgt die Kamera eine zarte, blasse Hand, die vorsichtig Nylonstrümpfe über die langen Beine streift. Kurz steht der Fuß im Fokus, der mit dem Tanzschuh elegant zur Seite gespreizt ist. Nun geht der Blick der Kamera weiter, verfolgt das Modell mit suchendem Blick bis es beim Gesicht angekommen ist. Dort trifft sie auf Einar, Künstler und Ehemann, der sich die Frauenkleider eigentlich nur umwirft, um damit seiner Ehefrau Gerda, ihres Zeichens selbst Malerin, einen Gefallen zu tun. Doch bereits an Einars Gesicht ist abzulesen, dass diese Situation weitaus bedeutender ist als ein kleiner Gefallen unter Eheleuten.

Die Kamera nimmt sich Zeit, den Fokus auf jede noch so kleinste Gefühlsregung in Einars Gesicht zu lenken. Sie kann einfangen, was anfangs weder Einar noch Gerda bewusst ist: Lili, so nennt das Paar Einar in Frauenkleidern scherzhaft, ist keine Fiktion, kein Gag, sie ist real. Sie und nicht Einar verkörpert die wahre Identität von Gerdas Partner.

Grandiose Schauspieler

Eddie Redmayne, der den Part von Einar/Lili übernimmt, kann dabei auf voller Linie überzeugen. Die kleinsten Regungen seiner Mimik reichen aus, um Einars Realisation und Lilis Kämpfe für die eigene Identität darzustellen. Subtil und präzise wird der Betrachter von Redmayne durch die Phasen von Lilis Entwicklung geführt. Erst unsicher und innerlich gespalten, dann immer selbstbewusster und entschlossen, für die eigene Identität zu kämpfen, kann Redmayne durch seine Gestik und Mimik die Entwicklung von Lili zu einer selbstbewussten, kämpferischen Frau ohne große Theatralik oder Überbetonung darstellen.

Doch Redmaynes Leistung wird fast durch die schauspielerische Darbietung seines Co-Stars, Gerda-Darstellerin Alicia Vikander, in den Schatten gestellt. Ihren Oscar für die Beste Nebendarstellerin hat sie sich mit der Rolle redlich verdient: Sie stellt Gerdas Liebe, Zerrissenheit, Loyalität und Verlorenheit mit einer Leidenschaft dar, die sofort die Herzen der Zuschauer für sich einnimmt – wobei der Grundtenor des Films daran auch nicht ganz unschuldig ist.

Hier liegt auch das Problem an der Sache. Während Gerda unweigerlich als sympathische, liebenswürdige und kämpferische Figur dargestellt wird, scheint es bei Lili manchmal so, als ob sich Regisseur Tom Hooper darauf verlassen hat, dass ihre Geschichte an sich schon für genügend Sympathie beim Zuschauer sorgen würde.

Subtilitäten mit dem Vorschlaghammer

In Sachen Subtilität hätte sich wohl der Rest der Beteiligten des Films ein Beispiel an den beiden Hauptdarstellern nehmen sollen. Angefangen mit der schwülstig-schweren Musik von Alexandre Desplat über die im Vergleich zur Realität sehr geglättete Liebesgeschichte, bis hin zu den perfekt durchkonstruierten und deshalb auch recht herzlos anmutenden Mis-en-Scène-Elementen, wirken so manche Elemente von „The Danish Girl“ doch recht melodramatisch-kitschig.

Das Ziel scheint wohl zu sein, ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Doch dafür werden Grautöne eliminiert, die „The Danish Girl“ als Verarbeitung eines wichtigen Stoffes gut getan hätten.

Von Vereinfachungen und echten Emotionen

Teilweise werden Geschlechter-Klischees ohne viel Reflektion wiedergegeben. Weiblichkeit, so scheint es, kann nur durch Vogue-Posen und Seidenstrümpfe dargestellt oder erlebt werden.

Auch die Besetzung von Redmayne, einem Cis-gender Mann, als Lili kann als unbedachte Casting-Entscheidung kritisiert werden, hätten sich viele doch in einem Film über eine Transgender-Pionierin auch eine Transgender-Darstellerin gewünscht.

Trotz vieler durchaus berechtigter Kritikpunkte bleibt „The Danish Girl“ auf alle Fälle sehenswert. Hopper kreiert einen berührenden Film über Identität, Selbstverwirklichung und Liebe, der auf den Schultern zweier herausragender Hauptdarsteller auch mit so manchen Schwächen zu Tränen rührt und ans Herz geht.

"The Danish Girl" lief ab dem 7. Januar 2016 im Kino und ist ab 19. Mai auf DVD und BluRay erhältlich.

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