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Der blinde Fleck

Autor(en): Vero Bock am Mittwoch, 22. Januar 2014

Ein Journalisten-Film über die Hintergründe des Wiesn-Attentats, die Verharmlosung von Rechtsextremismus und herrenlose Leichenteile

Ein Journalisten-Film über die Hintergründe des Wiesn-Attentats, die Verharmlosung von Rechtsextremismus und herrenlose Leichenteile

 

Journalisten sind Randfiguren der holzverarbeitenden Industrie“, hat Willy Brandt einmal gesagt, und wenn man die große Datenkraken-Suchmaschine nach „Journalisten sind ...“ befragt, vervollständigt sie diesen Satz von ganz allein.

Wer ein bisschen reflektierter oder zumindest weniger zynisch an die Journalisten-Frage herangeht (Brandt hat übrigens selbst regelmäßig für eine SPD-Zeitung geschrieben), der merkt vielleicht, dass eine faule Kartoffel nicht gleich eine vollständig verdorbene Ernte bedeutet.

 

Held der Recherche-Arbeit

 

Ulrich Chaussy zum Beispiel hat seinen Job gut gemacht - Er recherchiert seit 30 Jahren gegen den Filz in Bayern an, genauergesagt beschäftigt er sich mit den Hintergründen des Wiesnattentats vom 26. September 1980. Damals hatte sich der Rechtsextremist Gundolf Köhler am Haupteingang des Oktoberfestes in die Luft gesprengt und dabei zwölf weitere Menschen getötet. Alles deutete darauf hin, dass die Wehrsportgruppe Hoffmann, der er angehörte, den Anschlag geplant hatte. Trotzdem kam man nach offiziellen Ermittlungen zu dem Schluss, Köhler sei ein sexuell frustrierter Einzelgänger.

Diesen Weg der Ermittlungen zeichnet Daniel Harrich in seinem Film Der blinde Fleck nach. Damit stellt er die Recherche zum Wiesn-Attentat in direkte Tradition zur Watergate-Affäre, die Präsident Nixon das Amt gekostet hat – auch diese journalistischen Nachforschungen wurden in einem Spielfilm verarbeitet. Anders als bei Robert Redfords All the President's Men (Die Unbestechlichen) spielt im Film über Ulrich Chaussy auch sein Privatleben eine große Rolle.

 

Spielfilm, Dokumentation oder Docutainment?

 

Vielleicht hätte das Format des Dokumentarfilms aber doch ein wenig mehr Sinn gemacht – schließlich will nicht jeder Benno Fürmann dabei zusehen, wie er den 80er-Jahre-Schönling spielt, der in der Wohngemeinschaft mit seiner Frau auf der Couch Petting macht und mit dem Fahrrad durch die Stadt fährt. Wer Chaussys Radiofeatures kennt, dem mögen auch die Hintergrundverstrickungen zu kurz kommen. So etwa der Bezug zur Stay-Behind-Organisation Gladio oder Details zur gefundenen Hand, die niemandem gehörte, die wichtige Hintergrundinfos hätte liefern können. Obwohl keine Unwahrheiten erzählt werden (Chaussy schrieb selber am Drehbuch mit), so gilt für die Wissenshungrigen im Publikum leider: Story is king. Das kann man natürlich keinem Filmemacher vorwerfen kann, zeigt es doch, dass er sein Handwerk beherrscht.

 

Fazit: Obwohl Der blinde Fleck ein sehr spannendes Thema nur anschneidet und ein Appetizer für die eigentliche Auseinandersetzung damit ist, schafft er in der Wirkung doch etwas Besonderes. Wo ein Dokumentarfilm vielleicht ein, zwei Wochen in der Nachmittagsvorstellung gezeigt wird, macht Daniel Harrich die Knochenarbeit der Recherche mit seinem Spielfilm kinosaalfähig. So kann man zur Abwechslung mal ohne Bauchschmerzen darüber nachdenken, wofür man eigentlich Rundfunkgebühren zahlen muss.

 

 

Der blinde Fleck ist für den Max-Ophüls-Preis 2014 nominiert und kommt am 23. Januar 2014 in die deutschen Kinos.

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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