Diedrich Diederichsen "Über Pop-Musik"
In seinem neuen Buch hat Diederichsen seine jahrzehntelangen Überlegungen über Pop, das Populäre, die Popmusik zu Papier gebracht. Seine Annahme: Pop ist mehr als Musik.
In seinem neuen Buch hat Diederichsen seine jahrzehntelangen Überlegungen über Pop, das Populäre, die Popmusik zu Papier gebracht. Seine Annahme: Pop ist mehr als Musik.
„Über Pop-Musik“ ist das Lebenswerk eines der bedeutendsten Pop-Theoretiker Deutschlands. Jeder, der sich heute oder in Zukunft mit Pop-Musik beschäftigt, wird um dieses Buch nicht herumkommen. Auf etwa 500 Seiten analysiert Diederichsen die Merkmale und Bedingungen der Pop-Musik, grenzt sie von anderen Künsten ab und arbeitet ihre Besonderheiten heraus.
Wer dabei eine Chronik der Musik-Geschichte vom Rock´n Roll der 50er Jahre über Dicso- und Techno-Sound der 80er bis zu elektronischer Musik von Heute erwartet, wird überrascht sein. Denn Diederichsen geht weit darüber hinaus.
Pop-Musik als Gesamtkunstwerk
Wie Diederichsen schreibt, ist die Basis von Pop-Musik zwar die Musik, aber noch viel mehr ist sie ein Gesamtkunstwerk, dass aus Klängen, Bildern, Performance, Pose, Starkult und Mode entsteht und das kein zentrales, ureigenes Medium verbindet. Pop-Musik ist für Diederichsen ein eigener Gegenstand, der erst dann greifbar wird, wenn er durch Fernsehaussrahlungen, Konzerte, Videoclips, Radioprogramme oder CDs vom Publikum gehört oder gesehen wird. Der Rezipient spielt dabei eine wichtige Rolle. Für Diederichsen ist
„der Witz des Formats Pop-Musik, dass es von allen Beteiligten immer wieder aktiv zusammengesetzt werden muss“
und somit Individualismus schafft. Womit er die gängigen Vorurteile, der Pop wäre konform und angepasst, komplett aus dem Weg räumt.
Ein dicker Wälzer Pop
Das Buch gliedert sich in eine Einführung, die einen groben Überblick schafft und 5 Teile, mit jeweils mindestens 10 bis 15 Unterkapiteln. So wird der Gegenstand Pop-Musik von 5 unterschiedlichen Perspektiven aus betrachtet: Der des Künstlers oder Akteurs, der zeichentheoretischen, der historischen, der ästhetischen und der politischen.
Damit mag das Buch wohl eines der ersten sein, dass der Vielschichtigkeit des Themas gerecht wird. Dabei schwebt der Text zwischen objektivem Sachbuch und Autobiographie – denn Diederichsen geht immer von seinen eigenen Erfahrungen aus.
Das Phänomen Pop-Musik begreifbar gemacht
Obwohl die Diskurse und Überlegungen Diederichsens im Buch also thematisch geschickt geordnet und übersichtlich gegliedert sind, wird sich der ein oder andere beim Lesen wohl trotzdem schwer tun. Das liegt zum einen vielleicht daran, dass Diederichsen sein Thema manchmal bis zur Erschöpfung zerlegt und zum anderen daran, dass er an manchen Stellen von einem Punkt zum nächsten springt und sich fast schon verzettelt, was dem Leser das Verständnis deutlich erschwert.
Dennoch, man weiß nach der Lektüre eines Kapitels zwar keine einzelne, allgemeingültige Antwort auf die von Diederichsen gestellte Frage, trotzdem macht er durch seine Überlegungen begreifbar was Pop-Musik ist oder sein kann.
Pop-Melancholie
Am Ende des Buches wagt Diederichsen auch einen Ausblick, eine Diagnose über die Zukunft der Pop-Musik. Mehr noch, er sieht das Ende einer historischen Ära gekommen und fragt sich, ob der Pop auch in den kommenden 50 Jahren noch seine Relevanz unter Beweis stellen kann.
Mit seinem Buch hat er zumindest eine Chronik der Pop-Musik geschaffen, in die es sich lohnt reinzulesen. Wenn manches einem nicht verständlich ist, macht es auch nichts, denn damit ist man nicht allein. Wie die Band „Saalschutz“ schon sang:
"Diedrich Diederichsen, wir lieben dich / aber deine Bücher verstehen wir nicht / Sie sind so introvertiert und originell / Wir kaufen sie und stellen sie ins Büchergestell."