M94.5 Filmkritik
Ein spanisches Geheimnis
Viel Wein, spanische Landschaften und ein Familiendrama: Mit "Offenes Geheimnis" zeigt uns Asghar Farhadi einmal mehr, wie schön traurig sein kann.
"Ein Film mit Penélope Cruz und Javier Bardem", wird sich so manch einer denken, "das kann ja nur 'ne Schnulze sein." Doch der iranische Regisseur Asghar Farhadi (Oscar-prämiert für The Salesman) überrascht mit einem tiefsinnigen und optisch grandiosen Film über Familie und - ja, das auch - Liebe.
Eine Reise nach Spanien - zum Preis für einen Kinoeintritt
Offenes Geheimnis entführt uns nach Spanien. Die heiße Sonne brennt über den Weingärten, die Tauben nisten in dem verlassenen Kirchturm und die Männer und Frauen schwitzen bei der Weinernte. Laura, gespielt von Penélope Cruz, kommt mit ihrer Tochter und ihrem Sohn zu Besuch, denn ihre Schwester heiratet. Und wir werden Zeugen einer berauschenden spanischen Fiesta, wir riechen förmlich das Essen, man bekommt Lust, sich zu der Musik den ein oder anderen Wein einzuverleiben. Die ganze Familie ist glücklich, auch der Weingut-Besitzer Paco, dargestellt von Javier Bardem. Er war die frühere große Liebe von Laura, und auch jetzt noch verstehen die beiden sich erstaunlich gut. Auch die Tochter von Laura, Irene, lässt es sich gut gehen und genießt die spanische Nacht.
Schnulze oder Familiendrama?
Das hört sich bis jetzt tatsächlich an wie ein klassischer Liebesfilm, er liebt sie, sie ihn auch, und nach 90 Minuten küssen sie sich. Doch nicht so hier. Denn in der Nacht der großen Feier verschwindet Irene und es entwickelt sich eine verzweifelte Suche nach dem Mädchen. Besonders Paco scheint sich für die Rettung einzusetzen. Diese Suche bringt viele Emotionen, Ressentiments und Abhängigkeiten an die Oberfläche, die sich teilweise über Jahre aufgebaut haben. Und doch wird nicht überdramatisiert. Es sind Probleme und Emotionen, wie wir sie alle irgendwie kennen. Zuneigung, Verletzlichkeit, Verlust, Miss- und Vertrauen. Es ist die Geschichte einer Familie, die sich neu findet, aber ohne schnulzig zu werden. Asghar Farhadi gelingt es, uns in eine vollkommen fremde Familie mitzunehmen und uns denken zu lassen, wir würden dazugehören und sie schon seit Jahren kennen.
Das Leben geht weiter
Der Reiz des Films besteht aus der Nähe zur Realität. Trotz hervorragender spanischer Landschaftsaufnahmen und wahnsinnig schöner Menschen gelingt es dem Film, nicht platt zu werden. Durch die fehlende Filmmusik entsteht eine Tiefe, die die Emotionen besonders hervorhebt. Von Freude, über Hass, Sorge, Liebe und Angst durchleben wir alles, was in einer ganz normalen Familie auch vorhanden ist. Es gibt keinen großen Plottwist oder ein klassisches Grande Finale. Denn das Leben geht weiter. Wege führen zusammen und Wege trennen sich. Penélope Cruz und Javier Bardem sind so authentisch wie nie, und dass alle Spanisch sprechen, ist mehr als nur natürlich.
Offenes Geheimnis ist ein Film, der das Leben zeigt, wie es ist. Mal schön, mal sehr traurig, aber immer besonders. Und ein Tipp zum Schluss: Unbedingt in Originalsprache anschauen (unter dem Titel Todos lo saben).
"Offenes Geheimnis" ist ab dem 27. September 2018 in den deutschen Kinos zu sehen.