Es brennt noch Licht
Der Künstler Mathias Otto malt beeindruckend realistische Nachtszenen. Eine Auswahl seiner Bilder ist im Üblacker-Häusl in Haidhausen ausgestellt.
Der Künstler Mathias Otto malt beeindruckend realistische Nachtszenen. Eine Auswahl seiner Bilder ist im Üblacker-Häusl in Haidhausen ausgestellt.
Der rote Ball, der am Straßenrand liegt, springt einem gleich ins Auge. Wurde er gedankenlos zurückgelassen, von Kindern die noch bis zur Dämmerung auf der Straße gespielt haben? Die Nacht hat sich über die Siedlung gelegt. Kein Mensch ist zu sehen. Nur die Außenleuchte eines Einfamilienhauses und der Schein einer Straßenlaterne durchbrechen die Dunkelheit. Sind die Kinder im Haus? Nähert sich etwa ein Einbrecher? Ist hier bereits etwas schlimmes passiert?
Das Kopfkino springt an, sobald man die akkuraten Ölgemälde von Mathias Otto betrachtet. Fragen stellen sich, denn seine Bilder sind geheimnisvoll, wenn nicht sogar etwas gruselig. Der 56-Jährige malt Wohnhäuser, Hotels, Waldstraßen, Innenräume. Ausschließlich bei Nacht. Erhellt werden die Szenen nur durch das schwache Licht von Straßenlaternen, Glühbirnen oder Leuchtreklamen. „Im Dunkeln hat die Fantasie mehr Spielraum“, erklärt Otto. „Im Grunde male ich ganz alltägliche Räume, banale Szenen, nur eben bei Nacht. Durch das fahle Licht werden diese Räume wie magisch aufgeladen, die Vorstellungskraft wird automatisch angeregt.“
„Wie schön es ist, wenn kein Licht da ist“
Mit seinen Nachtbildern tritt Otto eine lange Tradition von nächtlichen Szenen in der Kunstgeschichte an. Seit dem 15. Jahrhundert gibt es das Nachtstück. In der Alten Pinakothek kann man Adam Elsheimers „Flucht nach Ägypten“ (1609) bewundern, eine der ersten Darstellungen einer Mondnacht in der sogar die Milchstraße am sternenklaren Himmel zu sehen ist. In Edward Hoppers „Nighthawks“ (1942) dagegen, erhellt künstliches Neonlicht die anonyme Großstadt. Die Nacht und das Licht, welches sie erhellt, faszinieren Mathias Otto: „Stellen Sie sich einmal im Dunkeln auf die Straße und schauen Sie sich das Licht an – und wie schön es ist, wenn kein Licht da ist. Diese Schönheit versuche ich in meinen Bildern einzufangen.“
Die Angst vor der Dunkelheit
Die Schönheit der Nacht, die Otto beschreibt, können nicht alle Menschen nachvollziehen. Viele fühlen sich in der Dunkelheit unsicher, verspüren eine Angst, die sie bereits aus der Kindheit kennen. Damals jagte uns die Vorstellung Panik ein, ein Monster liege in der düsteren Zimmerecke auf der Lauer. Und wenn auch die meisten Erwachsenen heute keine Furcht mehr vor Fabelwesen haben, verursacht die Schwärze der Nacht auch ihnen manchmal noch eine Gänsehaut, etwa auf einem nächtlichen Nachhauseweg von der U-Bahn Station oder in einem schwach beleuchteten Parkhaus. Da spielt das Fantasie schon mal verrückt. Hat sich der Schatten dort bewegt? Höre ich da Schritte?
Nicht ganz unschuldig an unserer regen Vorstellungskraft sind Film und Fernsehen. Schließlich wissen wir aus Serien wie Tatort und CSI, dass Verbrechen häufig im Dunkel der Nacht verübt werden. Das macht sich Otto zu Nutze. „Das Fernsehen inspiriert mich“, sagt er. Bei der Komposition seiner Bilder bedient er sich einer aus Krimis bekannten Bildsprache und provoziert so beim Betrachter eine Reihe von Assoziationen. „Natürlich denken viele beim Betrachten der Bilder an einen Tatort, einen Ort des Verbrechens“, weiß Otto. In manchen seiner Werke nimmt er darauf direkt Bezug. Das Bild mit dem roten Ball benannte er „Warten auf 'M'“. Eine Anspielung auf Fritz Langs Film aus dem Jahr 1931: „'M' – eine Stadt sucht einen Mörder“.
„Nachtabsenkung“ mit 16 Bildern von Mathias Otto. Ausstellungsdauer: 12.11.-7.12.2014
Üblacker-Häusl, Preysingstraße 58, 81667 München
Öffnungszeiten: Mi und Do 17-19 Uhr, Fr und So 10-12 Uhr