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Neue Bücher im Plauderton

Frisch gemixt

Quelle: © Peter Schinzler

Der Blick aus der Fensterfront des Foyers im Literaturhaus schafft reichlich Atmosphäre

Zwischen Whiskey Sour, Dschingis Khan und einem bombastischen Blick über die Dächer Münchens bekam das Publikum im Literaturhaus mehr als nur drei Bücher präsentiert...

Das Münchner Literaturhaus lud zum “Frisch gemixt”. Zwischen Whiskey Sour, Dschingis Khan und einem bombastischen Blick über die Dächer Münchens bekam das Publikum nicht nur drei Bücher präsentiert, sondern in liebevoller Weise auch deren Autoren.


Literatur ist doch verstaubt und langweilig, Lesungen erst recht. - Von wegen!

Eine Lesung im Foyer des Münchner Literaturhauses also... Drei junge Autoren und ihre Werke sollen vorgestellt werden. Klingt ja spannend – Hatte ich nicht neulich noch irgendwo gelesen, das Buch sei tot? Es gibt doch jetzt dieses Internet... Aber naja. Auf zum Salvatorplatz 1! Wer noch nie in den Hallen des Literaturhauses zu Gast war, wird zunächst einmal feststellen, dass sich dessen Foyer nicht wie sonst im Erdgeschoss befindet, sondern im dritten Stock. Auf zur Treppe also – für die bewegungsfauleren gibt es auch einen Aufzug. Oben angekommen wartet dann schon das erste Highlight dieses Abends darauf bestaunt zu werden: Die Außenwand des Foyers ist nämlich komplett verglast und bietet dem Besucher einen herrlichen Blick auf die Theatinerkirche und die Dächer der Münchner Altstadt. Die Sonne geht gerade unter und der Raum ist in ein angenehm warmes Licht getaucht. Eine tolle Hintergrundkulisse, um erst einmal an die Bar zu schlendern.
Mit einem frischen Drink in der Hand wählt man nun zwischen Tisch, Stehtisch oder Stuhlreihe. Den Blick auf das tolle Panorama hat man von überall. Es wird geratscht und gelacht, während der Raum sich füllt. Das Klientel ist gemischt und heiter gelaunt. Perfekte Voraussetzungen für einen tollen Abend.


Hallo und Herzlich Willkommen!


Die Autoren betreten das Podium – Aber wieso stehen da jetzt sechs Leute? Hieß es nicht drei? - Erst mal Begrüßungsapplaus, so viel Zeit muss sein – Schnell stellt sich heraus, dass die beiden Autorinnen und der Autor jeder einen eigenen Moderator zur Seite gestellt bekommen. Es folgt eine Vorstellungsrunde. Marion Bösker stellt ihre Autorin Verena Rossbacher vor, Katrin Lange präsentiert Manuel Niedermeier, der seinen Debütroman vorstellt, und Anne Kathrin Brocks begrüßt Nina Sahm, ebenfalls mit ihrem Debüt im Gepäck. In umgekehrter Reihenfolge geht es ganz nach dem Motto “Die letzten werden die ersten sein” los.


Was trinkst du und was hörst du so?


Das Konzept des Abends ist simpel, aber fast schon genial. Die Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsabteilung des Literaturhauses Marion Bösker erzählt mir, dass die Idee für die “Frisch gemixt”-Reihe relativ spontan zustande kam: “Wir hatten uns überlegt, wie man einen Autor am Besten kennenlernt. Da dachten wir, wir stellen einfach mal seinen Lieblingsdrink und seine Lieblingsmusik vor. Das sagt ja oft viel über eine Person aus.” Gesagt, getan. Die drei Getränke an diesem Abend sind Whiskey Sour, Gin Tonic und Kräutertee. Die Liederauswahl reicht vom “Zenith der Schlagermusik: Dschingis Khan" bis zum "unbekannten Singer-Songerwriter, der ein Lied über Budapest singt" (George Ezra ... na gut... mittlerweile auch nicht mehr so unbekannt).


Lass uns doch mal plaudern!


So sitzen die Moderatoren mit ihren Schützlingen vor dem Publikum, schlürfen an ihren frisch gemixten Drinks und plaudern. Und dieses unbeschwerte Plaudern ist genau das, was diesen Abend so besonders macht. Bevor man überhaupt irgendeine Zeile aus den jeweiligen Romanen zu hören bekommt, erfährt man schon so einiges über die Person, die dahinter steckt. Und zwar nicht durch einen abgedroschenen Vortrag, sondern durch ein nettes Gespräch. Extra Pluspunkt: Auch die Moderatoren geben ein bisschen was von sich preis, statt sich hinter ihren Fragen zu verstecken. So freut sich Katrin Lange,  Betreuerin der Bayerischen Akademie des Schreibens, fast kindlich, als sie erzählt, dass ihr Autor Manuel Niedermeier seine ersten literarischen Schritte in eben den Kreativ-Kursen der eigenen Institution  gemacht hat. Für Schmunzeln sorgt auch die Frage von Anne Kathrin Brocks an Nina Sahm, warum sie denn ihren Job als Dramaturgin an den Nagel gehängt hat: “Ich habe ja auch Theaterwissenschaften studiert, und so eine Stelle ist doch eigentlich der Traum!” Lachend anhängend: “Naja, aber hier im Literaturhaus ist es ja auch ganz schön!” Sympathischer geht es kaum! Irgendwo zwischen Plauderton, skurrilen Songs und leckeren Drinks vergisst man nämlich fast, dass man auf einer Lesung ist. Damit beweist das Literaturhaus, wie frisch, jung und unprätentiös Literatur doch sein kann!


Innige Freundschaften, Arktis-Exkursionen und jede Menge Kopfkino


Die Romane darf man natürlich nicht vergessen. Das Leitthema kommt auch hier zutage: Die drei Werke bilden einen bunten Mix und könnten unterschiedlicher nicht sein. Nina Sahms Debütroman „Das letzte Polaroid“ erzählt von einer innigen Mädchenfreundschaft zwischen München und Budapest. Dass ihre Protagonistin in vielen Rezensionen als unglaublich unsympathisch und nervig beschrieben wird, stört die Autorin kaum, schließlich sei das gerade der Grund, warum die Leute das Buch toll fänden. In sanftem Erzählschwall und mit leichtem, unbeschwerten Witz zwischen den Zeilen, ließt sie einige Textpassagen vor und bringt das Publikum hier und da zum schmunzeln. Passend zum Buch sitzen Sahm und Brocks lässig auf dem Podium und unterhalten sich fast mädchenhaft über das Leben.

Um einiges tiefsinniger und schwerer geht es mit Manuel Niedermeiers Erstlingswerk „Durch frühen Morgennebel“ weiter. Sein Schreibstil ist härter, sehr präzise und knapp, abgebrüht und trotzdem stimmungsvoll. Das Szenario seiner Textpassagen ist die Arktis – trostlos, kalt und eigentlich für Menschen unbewohnbar. Wie unter dickem Eis schwingen seine Zeilen dumpf an die Oberfläche. Katrin Lange greift im Gespräch mit Niedermeier die richtigen Themen auf. Sie reden über extreme Orte, das Gefühl von Einsamkeit und den Umgang mit Suizid.

Das Highlight des Abends bildet Verena Rossbacher mit ihrem neuen Roman „Schwätzen und Schlachten“. Diese Frau kann erzählen! Nicht nur in ihrem Buch, sondern auch privat vor dem Mikrofon. Das Duo Bösker und Rossbacher hebt den Pegel im Raum zum Schluss bis auf sein Maximum. Nicht nur die Textpassagen aus dem äußerst skurrilen Buch, in dem die Handlung eigentlich unwichtig ist, sondern der Dialog im Vordergrund steht, sondern auch das Gespräch zwischen Moderatorin und Autorin sorgen für einige Lacher und gute Laune. So wie man den Protagonisten in Rossbachers Roman beim Denken zuschauen darf, gewährt sie dem Publikum auch einen Blick in ihren eigenen Kopf – und Marion Bösker zieht mit.


Ein rundum gelungener Abend


Zum Schluss kann man sich die eben vorgestellten Werke natürlich auch gleich kaufen und von den Schriftstellern signieren lassen. Auch nach dem Ende der Lesung wird noch ein bisschen verweilt, getrunken und besonnen auf die beleuchtete Theatinerkirche geblickt.
Wenn man dann nach Hause geht, stellt sich eigentlich nur noch eine Frage: Wo ist das bayerische Fernsehen, wenn man es braucht? Diesen Abend hätte man nämlich ohne weiteres in voller Länge senden können.

Das nächste "Frisch gemixt" soll übrigens noch in diesem Sommer stattfinden.

Platte des Monats

Conor O'Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R'n'B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit. 

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M94.5 präsentiert
Donnerstag, 18. Oktober, 18 Uhr
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Freitag, Samstag: 19./20. Oktober
 
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