Theaterkritik bei K13
Hamlet in den Kammerspielen
Regisseur Christopher Rüping verwandelt Shakespeares Klassiker in eine effektvolle Schlacht Show. Eine Kritik von Johanna Sagmeister.
Angetrieben vom elektronischen Bass und den dröhnenden Tönen einer Vuvuzela, vergießen die Schauspieler eimerweise Kunstblut. Unaufhörlich färben sie sich selbst und das silberne Metallgitter unter ihnen, in ein schummriges rot. Kalt und erbarmungslos liegt die schmucklose Bühne vor dem Zuschauer, bis literweise buntes Konfetti durch einen Plastikschlauch auf die Bühne rieselt.
Willkommen im Schlachthaus von Christopher Rüping: Der Showbühne seiner „Hamlet“-Inszenierung in den Münchner Kammerspielen
Spielleiter und Moderator des Abends ist der tote Hamlet. Über ein Leuchtdisplay schreibt er den Schauspielern Katja Bürkle, Walter Hess und Nils Kahnwald vor, wie sie seine Geschichte zu erzählen haben.
Feste Rollen gibt es für diese Nacherzählung nicht. Je nach Szene teilen sich die Schauspieler die unterschiedlichen Rollen zu, in dem sie sich Perücken und Kronen zuschmeißen, oder für die Hauptrolle Hamlet eine schwarze Kapuzenjacke anziehen. Dieser Figurentausch innerhalb der Geschichte beschleunigt die zum Teil erschöpfenden Szenen des Abends.
Einseitige Figuren
Außerdem nutzt Rüping die Doppelbesetzungen der Schauspieler, um die zugegeben nicht sehr facettenreichen Persönlichkeiten Hamlets abzugrenzen. Nils Kahnwald verkörpert den arroganten, radikalen Hamlet, der seine Eltern gefühlskalt und sadistisch für sein Schauspiel instrumentalisiert. Katja Bürkle übernimmt die aggressiv wetternde Seite der Figur.
Durch ununterbrochenes Schreien steigert sie sich so lange in den Wahn, bis ihr Schaum vor den Mund quillt. Erbarmungslos erniedrigt Hamlet seine geliebte Ophelia, während die seine Anschuldigungen emotionslos und unbedarft über sich ergehen lässt. Leer und dumm blickt sie Hamlet mit glasigen Augen an.
Die naive Frauenrolle gegen den radikalen Hamlet
Ganz im Stil des patriarchischen Männerbilds zu Zeiten Shakespeares ist Ophelia eine geistlose, schwache Frau, die sich Befehlen widerstandslos hingibt. Ihren Tod inszeniert Rüping als kindlich, naiven Erlösungstanz im Konfettiregen.
Hamlet dagegen zeigt sich von Beginn an entschlossen, seinen Vater zu rächen. Konsequenterweise muss er über die Frage „Sein oder nicht sein“ auch nicht philosophieren. Als der Satz auf dem Leuchtdisplay erscheint, zieht Katja Bürkle als Hamlet die schwarze Jacke genervt aus und verlässt die Bühne.
Rüpings Intertextualität
Rüping bedient sich in seinem Hamlet einer Tonaufnahme der Inszenierung „Hamlet. Der Tag der Morde“, von Andreas Hermann, die schon am Luzerner Theater nicht gerade überzeugte. Stimmen der Luzerner Schauspieler, die über die Frage philosophieren, erfüllen das Theater. Rüpings Methode: Lieber andere antworten lassen, als selbst eine finden.
Und so mixt ein DJ die Stimmen der Aufnahme mit tiefem Bass, Orgelmusik und hallendem Chorgesang zu einem pathetischen Remix, der die nahende Tragödie ankündigen soll. Die zentrale Szene des Stücks mutiert zum reizüberfluteten Showdown: dröhnende Musik, neblige Bühne und drehende Scheinwerfer, die das Publikum blenden. Das alles erinnert an einen Hollywoodstreifen, der seine Zuschauer durch eine Reihe von Spezialeffekten beeindrucken will, um von fehlender Tiefe abzulenken.
Das finale Blutbad
Inzwischen steht Walter Hess wie ein verschwörerischer Prediger in der Mitte der Bühne und erteilt Laertes den Auftrag Hamlet zu töten. Gemeinsam klügeln sie den Mord aus. Das Schlachten kann beginnen. Den Tod einer Figur stellt Rüping ganz plastisch durch das Übergießen von Blut dar. Auch der Spielleiter dokumentiert die Gefallenen, in dem ihr durchgestrichener Name auf dem Leuchtdisplay erscheint.
Literweise Kunstblut später, sind sie alle tot und von der Bühne verschwunden. Es wird hell, Rüpings Schlacht Show ist vorbei. Nur der Spielleiter Hamlet ist wohl seinem Wahn verfallen. „Weiter, weiter, weiter“, blinkt das Leuchtdisplay. Er gibt sich wie der Hamlet des Abends: Radikal, trotzig, entschlossen. Eben alles andere als hin und her gerissen.