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Filmkritik: Steve Jobs

Jedermanns Arschloch

Quelle: Universal

Michael Fassbender als Steve Jobs

'Steve Jobs' zeigt einen Mann, der nicht nur von der Technologie der Zukunft, sondern auch von sich selbst besessen war. 

Steve Jobs war kein gewöhnlicher Mensch. Auf diesen Satz können sich sowohl Kritiker als auch Verehrer des Apple-Gründers und Technologie-Pioniers einigen. Egal ob als Visionär gefeiert oder als asozialer Ideendieb verschrien, es fällt schwer, ihn mit irgendeiner anderen Persönlichkeit zu vergleichen. Da scheint es nur angemessen, dass der nun erscheinende Film über sein Leben auch alles andere als gewöhnlich ist. Die Werbung für den Film, die online „Steve Jobs - Das Biopic“ verspricht, weckt einen falschen Eindruck. Steve Jobs ist so wenig eine klassische Filmbiographie wie Steve Jobs ein normaler Mensch war.

Anstatt Jobs‘ Lebensgeschichte von Jugend bis Tod durchzuerzählen, entschied sich Drehbuchautor Aaron Sorkin (bekannt für den Mark Zuckerberg-Film The Social Network) für einen anderen Ansatz: Der Film spielt an lediglich drei Tagen in den Jahren 1980, 1984 und 1999. Es sind drei der wichtigsten Tage in Jobs' Leben: Die Produktpräsentationen für den Apple Macintosh, den NeXT und schließlich den iMac. Doch das Drama findet nicht auf der Bühne, sondern hinter den Kulissen statt. Jobs trifft Freunde und Feinde, kämpft mit Zeitdruck und seiner eigenen Arroganz und hat in erster Linie jede Menge Streits. 

Feindbild Jobs

Eines ist Steve Jobs ganz sicher nicht: Ein glattgebügeltes Loblied auf den Apple-Gründer. Der Mann, der seinen Angestellten öffentliche Demütigung androhte und als Multimillionär seine Frau und Tochter von Sozialhilfe leben ließ, hatte sich in seinem Leben natürlich so einige Feinde gemacht und dieser Aspekt kommt nicht zu kurz. Gleich zu Beginn sehen wir Jobs als von Perfektion besessenen Egomanen, der vor seinen Mitarbeitern fast den Eindruck eines Tyrannen macht.

Dabei wird er von Michael Fassbender so selbstverständlich und makellos gespielt, dass man sehr schnell vergisst, dass die beiden sich eigentlich kein bisschen ähnlich sehen. Seine abweisende Darstellung zwischen Mensch und Dämon macht es wenig verwunderlich, dass Fassbender erst vor einigen Wochen als Macbeth in die Kinos kam.

Mythos Jobs

Während er die Person Steve Jobs auseinandernimmt, beschäftigt sich der Film aber auch mit dem Kult um ihn herum. Jobs ist seit Jahrzehnten eine geradezu mythische Figur, über die ebenso viele Geschichten wahr wie ausgedacht sind. Und auch wenn es keine Szene ohne ihn im Raum gibt, brauchen wir die Gerüchteküchen und Fanclubs nicht gezeigt bekommen, um darüber Bescheid zu wissen. Steve Jobs ist der Mythos, egal wo er geht und steht. Er ist "larger than life", ein Mensch, den man gleichzeitig verstehen und überhaupt nicht verstehen kann, gleichzeitig bewundert und verachtet. Ein einziges Mysterium. Und damit auch ein wahnsinnig spannendes Subjekt für die Handlung.

Sein alter Partner Steve Wozniak spricht in einer Szene die Frage aus, die jedem, der sich einmal mit Jobs' Biographie beschäftigt hat, unweigerlich untergekommen ist: "Du bist kein Ingenieur. Du bist kein Designer. Du kannst nicht mal einen Nagel in die Wand schlagen! Wie kommt es also, dass ich zehnmal am Tag lese: 'Steve Jobs ist ein Genie'?" Auf diese Frage versucht der Film eine Antwort zu finden und jagt dafür quer durch Jobs' Biographie, seine alten Bekanntschaften, Freunde und Feinde und alles dazwischen.

Mensch Jobs?

Zentral ist dabei die Beziehung zu seiner Tochter Lisa, die im Laufe des Films von einem kleinen Mädchen zu einer College-Studentin heranwächst. Ihr Erwachsenwerden setzt dabei einen klaren Kontrast zu Jobs, der - bis auf schütteres Haar - gegen Ende immer noch weitgehend der gleiche Mensch zu sein scheint wie zu Beginn, frustriert, selbstsüchtig und rücksichtlos. Doch der Film täuscht uns an dieser Stelle und spielt mit unserer Wahrnehmung von ihm. 

Steve Jobs war weder Gott noch Teufel. Er war, wie die meisten Menschen, irgendetwas dazwischen und auch wie die meisten Menschen ziemlich kompliziert und widersprüchlich. Der wesentliche Triumph des neuen Films um ihn ist es, beide Seiten nebeneinander zu zeigen, ohne dass eine die klare Oberhand hat. Den Zugang zu dieser Geschichte gewährt vor allem seine Tochter, die als vielleicht einziger Mensch in der Lage ist, den Menschen in ihm zum Leben zu erwecken.

Jobs hat die Welt verändert. Das steht außer Frage. Doch das überraschend versöhnliche Ende von Steve Jobs deutet an, dass die größte Leistung dieses Mannes vielleicht war, dass er nicht die Welt, sondern sich selbst änderte. Und sei es nur ein kleines bisschen. 

"Steve Jobs" ist ab dem 12. November 2015 in den deutschen Kinos zu sehen.

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