Literatur-Neuerscheinung
“Ich in Gelb” von Olga Flor
In ihrem neuen Roman „Ich in Gelb“ entführt Olgar Flor ihre Leser in die Welt der Blogger, Models und Designer.
Blog, das oder der: Abkürzung für Web Log; tagebuchartig geführte, öffentlich zugängliche Webseite, die ständig um Kommentare oder Notizen zu einem bestimmten Thema ergänzt wird.
Die Blog-Flut im Internet
Als ob die Weiten des Internets nicht schon von Blogs und Bloggern voll genug wären – was es nicht alles gibt, von den typischen Mode-Bloggern, über die Fitness-Blogs, bis hin zu den Mummy-Bloggerinnen. Blogs ziehen nicht erst seit Olga Flors Roman “Ich in Gelb” weite Kreise in der literarischen, wie journalistichen Welt von heute.
Ein Kommentar zur Modeszene verpackt als Blog-Projekt
Das Ergebnis von Olga Flors Vorhaben ist so wie man es erwartet und dann doch auch wieder nicht. Aufgebaut im Stil eines tatsächlichen Blogs wird mit einem bunten Mix aus Blogpostings, Kommentaren und Bildern die Geschichte der jungen Modebloggerin nextGirl erzählt. Dabei wird die Blogger- und Modeszene so spitzzüngig kommentiert, wie man sich das von einem gesellschaftskritischen Roman erwartet.
Models und Klischees
Die Diät-Praktiken der Models werden angeprangert – ja, hier kommt nun der (Anm.: wirklich unsäglich in die Länge gezogene) Wurm-Plot ins Spiel, die Situation von minderjährigen Models im Modebusiness wird in den Mittelpunkt gestellt und auch Kommentare über den alltäglichen Drogenkonsum dürfen selbstverständlich nicht fehlen. Alles natürlich definitiv kritikwürdig, doch die Fülle an solch stereotypischen Material lässt Olga Flors Roman fasst vor Klischees platzen: vom schwulen Designer, über die hungernden Models bis hin zu den ahnungslosen Eltern, die ihre Kinder nicht unter Kontrolle haben - nichts fehlt.
Masse statt Klasse
Die Autorin hetzt nur so von einem Skandal zum nächsten, was dem Gesamtbild leider wenig Substanz verleiht. Keine Frage, die spitzen Kommentare über die Modewelt und, seien wir ehrlich, unsere gesamte Gesellschaft sind amüsant zu lesen, doch wirklich mehr als an der Oberfläche kratzen sie auch nicht.
Inszenierte Oberflächlichkeit
Vielleicht ist genau dies auch die Intention von Frau Flor, die Oberflächlichkeit der Blogger-Welt herauszustellen, indem sie diese reproduziert. Denn eines muss man ihr auf jeden Fall lassen, den typischen Blogger-Stil hat sie drauf. Böse, kurzweilig und teilweise sehr nervig - man hat beim Lesen tatsächlich das Gefühl, die Blog-Ergüsse eines heranwachsenden Mädels in Mitten der ach-so glamourösen Modeszene zu lesen.
Authentizität auf Kosten der Unterhaltung?
Nun mag das unweigerlich für Olga Flors schriftstellerisches Talent sprechen, doch dem Leser macht es die Autorin so nicht gerade einfach: dass Lesen anstrengend sein kann, auch wenn man sich nicht gerade durch James Joyces “Ulysses” kämpft, zeigt “Ich in Gelb” nämlich par excellence.
Da ist der Wurm drin
nextGirls kryptische Blogposts wechseln sich ab mit den Kommentaren von Model Bianca, die in zermürbender Ausführlichkeit über den in ihr heranwachsenden Wurm berichtet (Anm.: Nein, “Wurm” meint hier nicht einen verniedlichenden Spitznamen für ein Baby). Dieser ominöse Wurm-Plot lässt auch nach Beendigung des Buchs noch so einige Fragen aufkommen. Vor allem wohl die, nach dem Sinn.
Fragen über Fragen
Sollen die unsäglichen Praktiken im Modelbusiness kritisiert werden? Sollen die verschwommenen Grenzen zwischen dem eigenen Körper, der eigenen Identität und der Realität aufgezeigt werden? Oder soll einfach nur das Durchhaltevermögen des Lesers durch die aufreibende Ausführlichkeit des Ganzes auf die Probe gestellt werden?
Zynisch, böse, aber auch wirksam?
“Who is faking whom?” stellt der Klappentext als zentrale Frage von “Ich in Gelb” heraus und könnte so nicht selbstironischer sein. Schließlich verfangen sich nicht nur die Charaktere des Romans in dem Netz von Modebusiness und World Wide Web, auch “Ich in Gelb” selbst verliert sich in den Grenzen zwischen Reproduktion und Kritik. Ob dies so beabsichtigt ist oder nicht, ist dabei wohl eher zweitrangig, viel interessanter ist wohl die Frage, ob das Konzept beim Leser ankommt. Im Stil des Romans, belassen wir es einfach bei einem ausweichenden „vielleicht, vielleicht aber auch nicht“.
"Ich in Gelb" von Olga Flor ist beim JungundJung-Verlag erschienen und kostet 22 Euro.