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Filmfest 2017

Radiance - Die Kraft der Bilder

Autor(en): Janina Rohleder am Mittwoch, 28. Juni 2017
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Quelle: © FILMFEST MÜNCHEN 2017

Misako versucht Filme für Blinde in Worte zu fassen.

Was sind die richtigen Worte, um einen Sonnenuntergang zu beschreiben? Kann man mit Sprache Bilder ersetzen? Ein Film über die Kraft von Bildern.

"Durch einen dick bewölkten Himmel leuchtet eine fahle Sonne“, versucht Misako (Ayame Misaki) die Szene zu beschreiben, die sie vor sich auf der Leinwand sieht. Ein Mann, der mit im Zimmer sitzt, lächelt leicht und nickt zustimmend. Seine Augen sind von einem matten grauen Schleier überzogen. Er ist blind. Den Film, der vor ihm abgespielt wird, kann er nicht sehen. Er hat nur die Stimmen der Schauspieler und die Worte von Misako, um sich ein Bild von dem Gezeigten vor dem inneren Auge zu erschaffen. Doch nicht bei jedem im Raum trifft die Wortwahl von Misako auf Zustimmung. Vor allem der einst gefeierte Fotograf und nun fast blinde Herr Nakamori (Masatoshi Nagase) scheint erbost über die Arbeit der jungen Frau zu sein. Zu subjektiv, zu aufdringlich, wirft er ihr vor. Sie würde zu viel interpretieren und ihm gar keinen Raum für Imagination geben. Vielleicht liege das an seiner mangelnden Vorstellungskraft, schießt die getroffene Misako zurück, und Nakamori steht auf und geht.

Leerstellen und Verluste

Es ist der Beginn einer zarten Liebesgeschichte zwischen einer Frau, die als kleines Mädchen immer der untergehende Sonne nachgelaufen ist, weil sie sich nicht vorstellen konnte, wo sie hingehen würde, und einem Mann, der sich der Schönheit der Welt über die Fotografie genähert und diese Sonnenuntergänge mit seiner Kamera festgehalten hat. Beide haben mit verschiedenen Formen von Verlust zu kämpfen, die sie auf ihre Weise geprägt haben. Das ist einmal das plötzliche Verschwinden von Misakos Vater, welches nie aufgeklärt wurde, und die langsam schwindende Sehkraft von Herrn Nakamori, der verzweifelt erleben muss, wie um ihn herum immer mehr alles zu undeutlichen Schemen verschwimmt.

Eine lichtgewaltige Inszenierung 

Obwohl der Film an vielen Stellen vorhersehbar ist und das Potenzial zum Kitsch hätte, schafft er es, die Balance zu halten. Dies gelingt vor allem durch die feine Inszenierung der Charaktere und seine fast poetischen Aufnahmen von Licht. Der Name Radiance („Strahlen“) deutet es schon an und tatsächlich lässt Regisseurin Naomi Kawase ihre Figuren förmlich in Sonnenlicht baden. Ob als regenbogenfarbene Brechung in einem Glaskristall oder als intensiv orange leuchtende Kulisse für den ersten Kuss, immer fängt die Kamera viel Licht in allen Variationen ein und zeichnet damit ausdrucksstarke Bilder. Doch auch das Nicht-Sehen wird filmisch umgesetzt und gibt dem Zuschauer einen Eindruck von der Sichtweise des fast blinden Herrn Nakamori. Regisseurin Kawase deckt so in ihrem Film das komplette Spektrum des Sehens ab, von verschwommener Farbmasse bis hin zu gestochen klare Nahaufnahme. Überhaupt ist auch das Close-up ein oft verwendetes Mittel, um den Film noch intensiver zu machen. Begleitet wird das Ganze dann noch von  melancholisch anmutenden Klavierklängen. 

„Nichts ist schöner als das, was vor unseren Augen verschwindet“, ist ein Satz, der während des Films öfter vorkommt. Er lädt dazu ein, sich der Schönheit der Vergänglichkeit von Momenten bewusst zu werden. Wie die Sonne, die irgendwann hinter den Bergen verschwindet und der man umsonst hinterherläuft.

"Radiance" lief zwei Mal auf dem Filmfest München. Ein deutscher Kinostart ist für September 2017 geplant.

 

Platte des Monats

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