Radikal jung – radikal verwirrt
Das Volkstheater feiert das Festival junger Regisseure - das "Radikal jung". Von Klassikern bis zu sehr modernen Stücken reicht das Programm. „Ich bedanke mich für alles“ zählt zu den Letzteren.
Nach der Katastrophe
Ein spektakuläres Bühnenbild: eine Turnhalle, 40 Leichensäcke, das Ganze eingelullt in Plastikvorhänge. Zwei Astronauten erkunden die dunkle, unheimliche Szene. Versuchen zu verstehen, was passiert ist. Es ist der 22. Dezember 2012. Es muss eine Katastrophe geschehen sein. Die Situation stellt die beiden Raumfahrer vor ein unlösbares Rätsel. Kurz darauf erscheint eine mysteriöse Motorradfahrerin. Sie ist auf der Suche nach ihrem Geliebten, den sie schließlich in einem der Säcke findet.
Das Künstlerkollektiv O-Team
„Ich bedanke mich für alles“ ist eine Produktion des Künstlerkollektivs O-Team und des Theaterhauses Jena. Bildende und darstellende Künstler, Musiker, Grafiker und Architekten bilden das Team. Seit fünf Jahren tourt das interdisziplinäre Theaterkollektiv jetzt schon durch Europa. Ihre Faszination: utopische Weltliteratur. In diesem Fall ein aus dem Sanskrit übertragenes Stück. Sein ursprünglicher Autor: der aus dem indischen Kashmir stammende Prem Kavi. Nach dem Studium der Quantenphysik, Zoologie und Architektur lebt er heute als Einsiedler in den Bergen am Kashmir-Tal. Von dort aus unternimmt er spirituelle Reisen in die Nachbarländer. Ebenfalls spirituell angehaucht: die apokalyptische Welt, in die die deutsche Version von „Ich bedanke mich für alles“ das Publikum entführt.
Wodka für das Publikum
Dem Anfang des Stücks lässt sich noch einigermaßen folgen. Doch dann kommt es zu der Auferstehung des eben noch tot geglaubten Geliebten der Motorradfahrerin. In seinen goldenen Hotpants faselt er wirres Zeug, trinkt beachtliche Mengen Alkohol und hüpft zwischen den Leichensäcken hin und her. Immer wirrer wird das Geschehen. Die ersten Zuschauer schleichen sich am Rand der Tribüne aus dem Theater. Belustigte bis verwirrte Blicke wirft sich das Publikum zu, als die Motorradfahrerin ihm zwei Bierkrüge Wodka überreicht. In die immer ungreifbarer werdenden Dialoge mischen sich Bibelzitate oder auch vulgäre Aussprüche. Lange wird thematisiert wer denn jetzt hier wen „fickt“. Das Publikum atmet auf, als sich die Motorradfahrerin – entgegen der Forderung ihres bizarren Geliebten – nicht nackt auszieht.
Verhaltener Applaus
Das Stück geht langsam zu Ende. Mit ihm stirbt die letzte Hoffnung die Handlung doch noch zu verstehen. Verhaltener Applaus aus dem Publikum. In der Mitte des Saals jubelt ein junger Mann – wohl der Einzige, der von dem Humor dieser sehr modernen Umsetzung begeistert ist. Wie viel Absurdität verträgt ein Theaterstück? Diese Frage stellt sich nach „Ich bedanke mich für alles“.