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M94.5 Filmkritik

The Florida Project

Quelle: © 2017 PROKINO Filmverleih GmbH

Moonee mit ihrer Mutter Halley

Die Träume von Kindern treffen auf die bittere Realität - und das an einem Ort, der eigentlich alle Wünsche wahr werden lässt und pure Magie verspricht.

Die Rede ist von Disneyworld in Orlando, Florida. Ein Ort, der den Besuchern - für sehr viel Geld - Spaß und Abenteuer bereitet. Doch welche ganz anderen Welten sich außerhalb von diesem riesigen Freizeitpark eröffnen, zeigt Sean Baker jetzt in seiner brillianten Gesellschaftskritik "The Florida Project".

Denn hinter dem Disneyworld-Komplex wartet eine ernüchternde Realität. Inmitten von Eisdielen, die aussehen wie gigantische Eistüten, oder Geschäften in Form von  Disneyfiguren, stehen knallbunte Motels mit Namen wie Magic Castle oder Futureland. Von außen betrachtet passen die Gebäude zwar perfekt in die Fantasiewelten, doch innen sieht es ganz anders aus. Denn die Motels werden von Menschen bewohnt, die unter der Armutsgrenze leben und jeden Tag um die Miete für ihre winzigen Zimmer kämpfen.

Das gilt auch für die sechsjährige Moonee und ihre Mutter Halley. Während die junge Frau versucht, sich durchzuschlagen, und dabei immer mehr die Kontrolle verliert, macht sich Moonee mit ihren Freunden auf zu ihren alltäglichen Abenteuern in ihrer eigenen magischen Welt.

Als wäre die Hitze zum Greifen nahe

Die knalligen und in Sonne getunkten Farben der bunten Gebäude blenden die Augen. Die Hitze auf dem Asphalt steht dampfig in der Luft und scheint zum Greifen nahe. Gemeinsam mit seinem Kameramann Alexis Zabé schafft es Sean Baker, so farbintensive Bilder aufzunehmen, dass das Gefühl entsteht, noch schnell selbst die Sonnencreme auspacken zu müssen, damit die pralle Sonne nicht die Haut verbrennt.

Aufgenommen in 35mm entstehen trotz der surrealen Farbintensität schon fast dokumentarische Bilder, die keine zusätzliche Bearbeitung brauchen. Dem Filmemacher gelingt etwas sehr Raffiniertes: Er gibt "The Florida Project" eine unaufdringliche, realistische und trotzdem extrem intensive Ästhetik.

Laiendarsteller beherrschen den Film

Sean Baker schafft nicht nur ein außergewöhnliches Seh-Erlebnis, sondern geht mit seinen Darstellern von Vornherein ein sehr großes Risiko ein: Er besetzt einen Großteil seiner Figuren mit Laiendarstellern. Sowohl die Kinder, als auch die Mutter von Moonee haben wenig bis gar keine Spielerfahrung, und nur Willem Dafoe, in der Rolle des Motelmanagers Bobby, bringt viel Erfahrung in den Film mit. 

Trotzdem schaffen es die unerfahrenen Schauspieler herauszustechen; besonders Brooklynn Prince, die die Rolle der Moonee in "The Florida Project" übernimmt. Die gerade einmal Achtjährige stellt die aufgeweckte und freche Moonee so überzeugend und natürlich dar, dass man selbst für einen Moment die eigentlichen Probleme vergisst und in der Abenteuerwelt des Mädchens aufgeht.

Generell wirken die Kinder extrem authentisch und nicht übertrieben. Sie nehmen die Dinge auf ihre ganz kindliche und naive Weise wahr und realisieren dabei oft nicht, dass sie eigentlich unter der Armutsgrenze leben. Neben den überforderten Eltern schafft es Willem Dafoe in seiner Rolle als Bobby, sich zur eigentlichen Elternfigur zu entwickeln, der versucht, im Rahmen seiner Möglichkeiten die Kinder vor der bitteren Realität zu bewahren.

Soziale Realität durch die Augen von Kindern

"The Florida Project" ist ein Film, der zum Großteil in der Perspektive von Moonee und ihren Freunden bleibt. Der Zuschauer wird mit auf die täglichen Abenteuerreisen genommen, durch die Motels und das Gelände hinter der gigantischen Disneyworld, und wird dadurch Teil der kindlichen Fantasiewelten.

Besonders durch diese ungewöhnliche Perspektive und den eher dokumentarischen Filmstil, der keiner richtigen Dramaturgie folgt, gelingt eine unglaublich gute und unaufdringliche Gesellschaftskritik. Denn unmittelbar hinter dem amerikanischen Konsumtraum befindet sich eine komplett andere Gesellschaft, die in Amerika gerne übersehen wird. Sean Baker zeichnet mit "The Florida Project" die soziale Realität durch die Augen von Kindern, die durch ihre Naivität und Träumereien umso greifbarer und drastischer vermittelt werden kann.

"The Florida Project" läuft ab dem 15. März 2018 in den deutschen Kinos.

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