M94.5 Filmkritik
The Happy Film
"Dieser Film wird dich nicht glücklich machen." Doch - aber anders als gedacht! Ein Dokumentarfilm für Auge und Herz.
Kannst du dein eigenes Glück beeinflussen? Durch Übungen lernen, glücklich zu sein? Und was macht dich überhaupt glücklich? All das sind Fragen, die vielleicht heute präsenter sind als jemals zuvor. Immerhin ist die Suche nach dem Glück wohl das Menschlichste der Welt. Kein Wunder also, dass sich auch der österreichische Grafikdesigner Stefan Sagmeister auf die Suche nach Antworten gemacht hat. Dabei geht es ihm von außen betrachtet mehr als gut. Er lebt in einem schicken Loft mitten in einer pulsierenden Metropole also known as New York City. Designed Album-Cover für Jay-Z, die Rolling Stones und die Talking Heads. Zwischen kurzen Liebschaften und erfolgreichen Projekten fehlt aber irgendwie doch etwas. Und so beginnt ein Selbstversuch. Der ganz andere Biegungen nimmt, als geplant.
Ein visueller Leckerbissen
Wer eine Schwäche für Design hat, der wird bei diesem Film voll und ganz auf seine Kosten kommen. Ob Illustrationen, experimentelle Kaligrafie oder menschliche Installationen, man merkt sofort, dass hier ein kreativer Kopf am Werk ist. Kleine Weisheiten wie "Thinking life would be better in the future is stupid. Life is now." zaubern einem immer wieder ein Lächeln auf die Lippen und sind die kontinuierlichen Lichtblitze, zwischen denen sich Protagonist Stefan Sagmeister immer wieder in emotionalen Höhen und Tiefen zu verlieren scheint. Das ist vielleicht der Punkt, wo Erwartungen an den Film und die Realität am meisten auseinander gehen. Es geht nicht wirklich um das Glück im Allgemeinen, viel mehr ist es Sagmeister's persönliche Suche nach mehr Erfüllung im Leben. Trotzdem lassen sich einige Lehren mitnehmen, die dem recht selbst bezogenen, aber auch authentischen Designer ("Ich bin ein Arschloch!") auf seiner Reise zu sich selbst widerfahren.
Stefan Sagmeister versucht, seine Ängste zu überwinden, und geht auf wildfremde Menschen zu. © Ben Wolf, thehappyfilm.org
Das Experiment, oder - nicht alles im Leben läuft nach Plan
Dass das Leben seinen eigenen Kopf hat und uns oft die Zügel aus der Hand nimmt, zeigt uns "The Happy Film" erbarmungslos ehrlich. Der ganze Inhalt baut sich um Stefans Selbstexperiment auf. Der Plan: 1 Sabbatjahr. 3 Versuche, das eigene Glück positiv zu beeinflussen. 4 Monate Meditation in den idyllischen Berglandschaften Balis. 4 Monate therapeutische Sitzungen. 4 Monate Drogen. Das Ziel: Was macht am glücklichsten? Am Ende wird das durchgeplante Designprojekt aber zu einer siebenjährigen Odysse, die zwischen harten Schicksalsschlägen, Liebschaften und dem Wunsch nach persönlichem Wachsen eine ganz eigene Zielgerade einschlägt.
The Happy Film aus Reiskörnern © Karim Charlebois-Zariffa, thehappyfilm.org
Ein Dokumentarfilm, der sich lohnt!
Wer bei Stefan Sagmeisters Film einen Spannungsbogen der Extra-Klasse erwartet, ist hier falsch. Aber gerade die chaotischen und höchst intimen Einblicke in das Leben eines Menschen, der eigentlich nur die Antwort auf das Glück sucht, machen diese Dokumentation so wunderbar liebenswert. Sie ist so unperfekt wie die Menschen in ihr. Dieses Stück Film lebt vor allem von seiner Kreativität. Gerade an den starken Stellen kommt er ohne Worte aus, transportiert mit Bildern die Emotionen. Ein visuelles Kunstwerk, dass einen am liebsten selbst zu Feder und Papier greifen lässt. Und auch wenn der erste Satz der 93 Minuten lautet: "Dieser Film wird dich nicht glücklicher machen", tut er das doch irgendwie. Auf seine ganz eigene Art und Weise.
The Happy Film läuft ab dem 5. Januar in den deutschen Kinos.