M94.5 Filmkritik
Tully
Ein unverblümtes Drama darüber, was es heißt, Mutter zu sein: "Tully" thematisiert ganz ohne Klischees Verantwortung, Erschöpfung, Mutterglück.
Eine moderne Mary Poppins
Das Blatt scheint sich schließlich zu wenden, als Marlo von ihrem Bruder eine Nacht-Nanny aufgeschwatzt bekommt. Die ist ausschließlich dafür da, die Mutter nachts zu entlasten, und soll dafür sorgen, dass Marlos Leben nicht komplett aus den Fugen gerät. Doch es passiert sogar um einiges mehr: Tully, eine Art moderne Mary Poppins, die wie auf magische Weise eines Abends vor Marlos Tür steht und innerhalb einer Nacht das komplette Haus blitzblank putzt, ist jung, schön und liebenswert. Tully, gespielt von Mackenzie Davis, hat eine liebliche, sorglose Art, die Marlo hilft, genau das zu finden, was sie braucht, um wieder die Mutter und Frau zu sein, die sie über die Jahre verloren zu haben scheint. Die Figur Tully selbst bleibt dabei allerdings mysteriös, unnahbar, und vielleicht auch ein bisschen flach.
Mütter ohne Männer
"Tully" ist ein einfühlsames Porträt davon, was es heißt, Mutter zu sein, und greift dabei nicht in die Klischeekiste. Zwar ist dies ein Film, in dem Männer - bis auf finanzielle Unterstützung - offenbar nichts zur Kindererziehung beizutragen haben, und Frauen völlig selbstverständlich mit der Verantwortung alleine gelassen werden. Allerdings bleibt die Geschichte dank der authentischen Darstellung von Charlize Theron und ihrem Pendant Mackenzie Davis dennoch identifizierbar und gibt einen für die große Leinwand ungewöhnlichen Einblick darin, was für ein einschneidendes Erlebnis Mutterschaft ist. Mit "Tully" ist Drehbuchautorin Diablo Cody, die schon "Juno" schrieb, ein Film gelungen, der einen dann auch gerne zum Telefonhörer greifen lässt, um seiner Mama für all die harte Arbeit zu danken.