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Ummah - Unter Freunden

Autor(en): Vero Bock am Donnerstag, 12. September 2013
Quelle: Copyright: MEDIA OFFICE

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Ein Männerfilm aus Neukölln, Prädikat: besonders wertvoll, Habibi!

Daniel Klemm hat es ziemlich vergeigt. Er arbeitet beim Verfassungsschutz (Neonazi-Szene) und hat zwei Typen umgelegt. Ein Riesenskandal, der unbedingt vertuscht werden muss. Daniel will raus, aber sein Vorgesetzter ist dagegen und schickt ihn erstmal in eine leerstehende Wohnung nach Neukölln, zum Runterkommen. Und dann will Daniel einen Fernseher für 80 Euro kaufen. Aber so leicht ist das nicht im Kiez.

"Entweder kaufst Du Fernseher für 50 oder 150 Euro. Dazwischen gibts nix, Habibi!"

Und so lernt Daniel Klemm den Elektronik-Einzelhändler Abbas (arab.: Der Löwe) kennen. Wie bei allen Figuren in diesem Film (Daniel Klemm, Herr Hartmann, Jamal - der Schöne) ist der Name Programm: Abbas ist stark, aber gerecht. Er lebt nach seinen Prinzipien und lässt sich gerne mal den Bauch kraulen. Und er ist der Chef, deswegen haben seine Kumpels Jamal und Hassan gar nix zu melden, als Abbas den verkauzten Deutschen bei sich arbeiten lässt, dem er zwei Wochen vorher noch einen kaputten Fernseher angedreht hat.
Dabei will Daniel sich gerade eigentlich viel lieber in seiner unrenovierten Höhle verkriechen und Billigbier saufen, anstatt auf arabische Hochzeiten zu gehen. Und da ist auch noch die heiße Nachbarin Dina, die ihm einen Willkommenskuchen vorbeibringt, und der er aus Überforderung die Tür vor der Nase zuschlägt.

"Der Deutsche hat Sekt mitgebracht! Der ist Alkoholiker!"

Ummah versucht Klischees über Muslime und Deutsche zu entlarven, ohne sie zu reproduzieren - ein ehrbares Ziel, das nur selten erreicht wird. Dank der tollen Hauptdarsteller Frederick Lau und Kida Khodr Ramadan (Sie dürfen raten, wer wen spielt) schlägt sich Ummah gar nicht mal so schlecht. Ramadan (Fünf Jahre Leben, Kebab Connection) hat mit seinem schnoddrigen, liebenswerten Abbas die Lacher auf seiner Seite und wirkt mit seinen traurigen Augen trotzdem ernster und reifer, als der vielleicht ein bisschen zu oft deutschgrimmig dreinschauende Lau (Oh Boy, Neue Vahr Süd, Die Welle).
Auch die Nebenrollen sind schön besetzt und repräsentieren gleichzeitig beliebte muslimische "Prototypen": Mona Pirzad als die emanzipierte, erfolgreiche Dina, die in Afghanistan unterm Taliban-Regime aufgewachen ist und das Kopftuch ablehnt, Burak Yigit als liebenswerter, stolzer Welpe Jamal, Eray Egilmez als sympathischer, moderner Koran-Lehrer und Cetin Ipekkaya als traditionalistischer Altvorderer, der alle Deutschen für gottlose Sünder(innen) hält.

"Entweder ich krieg die Information, oder wir tauschen Dich aus."

Regisseur und Drehbuchautor Cüneyt Kaya hat mit Ummah ein Debüt abgeliefert, das durchaus sehenswert ist, dieses Jahr für den Max-Ophüls-Preis nominiert war und das Prädikat besonders wertvoll erhalten hat (von der Deutschen Film- und Medienbewertung, nicht von der Autorin).
Etwas schade ist, dass der Verfassungsschutz so klischeehaft böse gezeichnet wird, ohne ihn als den Saftladen darzustellen, für den viele ihn halten mögen. Den Hauptfiguren hätte ein bisschen mehr Tiefe auch gutgetan - Abbas, der Löwe, hat zwar ein "Vergangenheit" (nach eigenen Angaben), wie diese aussieht oder wo sein wunder Punkt ist, behält Filmemacher Kaya leider für sich. Wie in vielen guten Filmen über kontroverse Themen kommen alle zu Wort, ohne dass eine Position recht bekommt (Kopftuch, Parallelgesellschaft, Koran...).

This Is A Men's World

Der Ummah (arab. Gemeinschaft, auch: Gemeinschaft der Muslime) felht nur eines wirklich: Eine starke Frauenrolle. Dina ist zwar Daniels Love Interest, aber als dieser die Pro-Kopftuch-Position seiner Freunde einnimmt, deren Frauen alle Kopftuch tragen, verlässt sie etwas hyterisch das Café und schmettert Daniel ein emotional-unfaires "Halt Du Dich da raus, DU bist kein Muslim" an den Kopf. Eine Möglichkeit, ihre Kopftuch-Gegenargumente vor der Shisha-rauchenden Männerunde zu präsentieren und ihnhaltlich-rational zu diskutieren, hätte gezeigt, dass die Figur Dina sich mit den Männern messen kann und darf.
 

Garantiert Unabhängig

Es ist bemerkenswert, dass Kaya seinen Film komplett ohne Föderung durch TV-Sender oder Gremien gedreht hat (obwohl er die bei diesem Thema bestimmt bekommen hätte). Nach eigenen Angaben musste er dafür Equipment aus seinem Kamera-Verleih verkaufen, von seinen Eltern Geld leihen und die Hochzeits-Szene auf einer echten Hochzeit drehen.


Fazit: Ein enthusiastisches, sympathisches Kinodebüt, in dem man viel zum Lachen und zum Schmunzeln kommt, in der heimlichen Hauptrolle ein großherziger Araber, von dem wir uns alle eine Scheibe abschneiden könnten.

Ummah - Unter Freunden kommt am 12. September 2013 in die Kinos.

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