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Uwe Timm über Weltliteratur und andere Träume

Autor(en): Andrea Hornsteiner am Freitag, 29. November 2013
Quelle: Michael Döschner-Apostolidis

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Uwe Timm gehört zu den bekanntesten deutschen Schriftstellern. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

Uwe Timm gehört zu den bekanntesten deutschen Schriftstellern. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

"Die Entdeckung der Currywurst", "Rot", "Halbschatten", "Morenga", "Freitisch" oder "Der Schlangenbaum" - Der Wahlmünchner hat in den vergangenen Jahrzehnten weit über 20 Bücher verfasst. Darunter auch "Heißer Sommer" mit dem er den großen Durchbruch schaffte und welches eines der wenigen literarischen Zeugnisse aus den 68-Revolte ist. Seine Werke sind jedoch nicht immer politisch angehaucht. Aber eines haben sie doch stets gemein: Sie handeln von außergewöhnlichen Figuren und beschreiben deren beeindruckenden Lebensgeschichten.

Auch Uwe Timm hat eine beeindruckende Lebensgeschichte zu erzählen. Der heute 73-Jährige war selbst lange Zeit als Student politisch tätig. Ein besonders trauriges Erlebnis musste er im Juni 1967 verkraften, als sein damals bester Freund Benno Ohnesorg bei einer Revolte getötet wurde. Seine Trauer verarbeitete er in den folgenden Jahren in der Erzählung "Am Beispiels meines Bruders".

Uwe Timm erhält den Kulturellen Ehrenpreis

Seine Werke wurden bisher in über 20 Sprachen übersetzt und somit zählt Uwe Timm zu den erfolgreichsten Schriftstellern Deutschlands. Nun ehrt ihn selbst die Stadt München. Der Autor erhält die höchste Auszeichnung der Landeshauptstadt: Den kulturellen Ehrenpreis. Die diesjährige Jury würdigt Uwe Timm als einen Schriftsteller, der „alle Formen des Erzählens souverän beherrscht und zudem ein grandioser Beobachter ist“. Verliehen wird ihm diese Auszeichnung am 21. Januar 2014.

Ein Besuch auf dem Münchner Literaturfest

Erst kürzlich besuchte der Hamburger das Literaturfest in München. Dort hielt er selbst eine Vorlesung. Gemeinsam mit Schriftstellerkollege und Freund Tilman Spengler diskutierte er über das Thema „Weltliteratur“ und las dabei auch aus verschiedenen Werken vor. Außerdem präsentierte er seinen neuesten Roman "Vogelweide". 


Private Einblicke des Schriftstellers

In einem Gespräch mit M94.5 spricht der Autor neben seinen Werken nicht nur über die damalige Zeit als Münchner Student, sondern auch wovon er nachts so träumt.


Das Interview

Die Vorlesung hat sich mit dem Thema „Weltliteratur“ beschäftigt. Was ist für Sie persönlich echte Weltliteratur?

Uwe Timm: „Dieser Begriff ist natürlich sehr dehnbar. Aber vielleicht kann man ihn zumindest beschreiben als das kleinste, gemeinsame Vielfache an Literaten, die in den größten denkbaren Zahl von Nennern gelesen wird. Da sind natürlich solche Größen, wie Thomas Mann, James Joyce und Robert Louis Stevensen zu nennen. Das wird wohl offiziell als Weltliteratur bezeichnet.“

Sie haben an der Ludwig-Maximilians-Universität in München studiert. Wenn Sie sich an damals zurückerinnern, wie würden Sie die Zeit beschreiben?

Uwe Timm: „Für mich war es eine sehr gute Zeit! Ich hatte im Gegensatz zu den heutigen Studenten sehr viel Freiheit. Man konnte sich viel Zeit lassen und war nicht in diesem Takt drinnen, wo man von Modul zu Modul geschickt wurde. Ich hatte die Möglichkeit, in verschiedene Bereiche hinein zu schauen. So habe ich zum Beispiel in Medizin-, Theologie- und Kunsthistorikvorlesungen hineingehorcht. Im Hauptfach selbst habe ich Philosophie und Germanistik studiert. Es war eine ganz tolle Zeit, wirklich Bildung im guten Sinn.“

Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

Uwe Timm: „Ich habe sehr früh zu schreiben begonnen. Damals war ich in der Schule und habe mich nicht sehr wohl gefühlt. Ich bekam schlechte Noten im Schulfach Deutsch und da habe ich wie aus Trotz dagegen an geschrieben. Ich habe anschließend wirklich inbrünstig lange Aufsätze geschrieben und so hat sich das dann eben weiterentwickelt. Immer weiterschreiben – das war eine Form für mich nachzudenken, also in einer hilflosen Weise, weil ich damals eben nicht sehr glücklich war. Ich hatte einfach sehr große Probleme. Da war das Schreiben die Möglichkeit, darüber nachzudenken. Man schreibt nicht, wenn man sehr glücklich ist. Das ändert sich dann erst, wenn man es professionell tut. Dann ist das etwas unabhängiger. Ansonsten ist es immer eine Mangelsituation, aus der heraus man schreibt.“

Wie muss man sich bei Ihnen einen typischen Schreibvorgang vorstellen? Haben Sie eine Idee und schreiben daraufhin los? Wie fängt alles an?

Uwe Timm: „Meistens geht es von den Figuren aus. Ich habe nicht etwa Themen, die ich abhandle. Es sind viel mehr bestimmte Figuren, die mir durch den Kopf gehen und mich sehr beschäftigen. Wenn ich anfange von ihnen zu träumen, dann fange ich auch an von ihnen zu schreiben – langsam und immer wieder. Ich schreibe sehr viel um. Bei meinem letzten Roman „Vogelweide“ gibt es neun Fassungen. Es ist eine richtig harte Arbeit, nichts anderes. Wer glaubt, dass das alles so locker zu machen ist, wie unter einem blühenden Kirschbaum, der liegt falsch.“

Beziehen sich Ihre Werke neben der Träumerei auch auf authentische Vorlagen?

Uwe Timm: „Ja, denn wenn mich eine Geschichte wirklich interessiert, forsche ich nach. Ich gehe tatsächlich in ein Archiv und rekonstruiere das Geschehene. Es interessiert mich dann einfach. Viele meiner Werke haben einen authentischen Hintergrund – aber eben nicht alle.“

Basiert Ihre Novelle „Die Entdeckung der Currywurst“ beispielsweise auf einer wahren Begebenheit?

Uwe Timm: „Ich habe in Erinnerung, dass ich schon sehr früh eine Currywurst gegessen habe als es die in Berlin noch nicht gab. Das ist meine kindliche Erinnerung. Die Verkäuferin war damals tatsächlich eine Frau Brücker, die bei meiner Tante in einer Art Rotlichtmilieu wohnte. Von der wurde damals behauptet, sie habe einen Deserteur versteckt. Und damit ist eigentlich schon alles erzählt. Alles andere ist natürlich ausgedacht.“

Dann können wir uns auch in den nächsten Jahren auf viele neue Werke von Ihnen freuen?

Uwe Timm: „Ich hoffe doch. Da ich rundum gesund und munter bin, denke ich ja.“

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